Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 909
Der Anspruch nach § 839 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass der Beamte eine Amtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt. Diese Voraussetzung gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 34 GG, da diese Bestimmung reine Zurechnungsnorm ist und die Erfüllung des Tatbestands des § 839 Abs. 1 BGB voraussetzt. Da im Rahmen der Amtshaftung bereits leichte Fahrlässigkeit haftungsbegründend wirkt, kommt der Frage des Vorliegens einer vorsätzlichen Amtspflichtverletzung nur dann Maßgeblichkeit zu, wenn ein Amtshaftungsanspruch an einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB scheitern könnte. Im Falle eines vorsätzlichen Fehlverhaltens der öffentlichen Hand kann der Geschädigte nicht darauf verwiesen werden, zunächst einen anderen Schädiger in Anspruch zu nehmen. Soweit eine Haftung des Staates für judikatives Unrecht in Rede steht, ist zudem § 839 Abs. 2 S. 1 BGB zu beachten, wonach eine Verantwortlichkeit des Beamten nur besteht, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht.
Das Verschulden muss sich auf die Verletzung der Amtspflicht beziehen; unerheblich ist dagegen, ob der Beamte die Möglichkeit des Schadenseintritts in seine Vorstellung aufgenommen oder fahrlässig außer Acht gelassen hat. Vorsätzlich handelt der Beamte, der die Tatsachen, aus denen sich die Pflichtverletzung objektiv ergibt, kennt und sich bewusst über sie hinwegsetzt oder mindestens die Möglichkeit des pflichtwidrigen Handelns billigend in Kauf nimmt. Fahrlässiges Handeln liegt vor, wenn der Beamte bei Beobachtung der für ihn objektiv gebotenen Sorgfalt hätte voraussehen müssen, dass er amtspflichtwidrig handelt. Dabei ist zu beachten, dass der Beamte grundsätzlich Art und Umfang seiner dienstlichen Pflichten zu kennen hat. Ein Irrtum schließt die Fahrlässigkeit aus, wenn er entschuldbar ist.
Rz. 910
Der Fahrlässigkeitsmaßstab ist insoweit objektiviert und es kommt nicht auf die individuellen oder tatsächlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des Beamten an, sondern auf diejenigen, die für die fehlerfreie Amtsausübung erforderlich sind. Mit diesem von der Rechtsprechung entwickelten Maßstab ist das geltende Amtshaftungsrecht einer objektiven Staatshaftung angenähert. Der Amtswalter muss das Recht richtig anwenden, den Sachverhalt sorgfältig erforschen und die einschlägige Rechtsprechung bei eigener Rechtsanwendung kennen. Dabei ist insbesondere die höchstrichterliche Rechtsprechung zu beachten, soweit diese streitige Fragen geklärt hat. Dieser strenge Maßstab gilt auch für Mitglieder kommunaler Vertretungskörperschaften. Soweit ihnen eigene Sachkunde fehlt, haben sie sich Rat und Empfehlungen der Verwaltung oder sonstiger Fachbehörden einzuholen oder Sachverständige zuzuziehen. Den Beamten trifft dann kein Schuldvorwurf, wenn er aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung eine vertretbare, von vernünftigen Erwägungen geleitete Entscheidung getroffen hat und die zu beantwortende Rechtsfrage in der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung noch keine Klärung erfahren hat oder die Anwendung der zu beachtenden Vorschriften im Einzelfall schwierige Probleme aufweist. Dies gilt auch dann, wenn die dergestalt gewonnene Rechtauffassung des Beamten im Nachhinein durch ein Gericht nicht gebilligt wird. Der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens trifft die Behörde auch nicht schon deshalb, weil sie einer nicht rechtskräftigen Entscheidung nicht folgt oder Rechtsmittel einlegt. Das Festhalten an ihrem Standpunkt bis zur Rechtskraft der Entscheidung begründet nur dann den Vorwurf der Fahrlässigkeit, wenn es schlechthin nicht mehr vertretbar erscheint.
Rz. 911
Der weiterhin Geltung beanspruchende Grundsatz, dass ein Beamter grundsätzlich dann nicht schuldhaft handelt, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht (unrichtigerweise) die Handlung für objektiv rechtmäßig gehalten hat, hat in der Rechtsprechung des BGH verschiedentlich Durchbrechungen erfahren. Die Billigung des pflichtwidrigen Amtshandelns durch ein Kollegialgericht soll hiernach beispielsweise dann nicht vom Vorwurf des Verschuldens entlasten, wenn das Kollegialgericht eine eindeutige Bestimmung handgreiflich falsch ausgelegt hat, für die Beurteilung des Falles wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hat oder sich bereits in seinem rechtlichen Ausgangspunkt von einer rechtlich verfehlten Betrachtungsweise nicht hat freimachen können. Gleiches gilt, wenn das Gericht den Sachverhalt unzureichend aufklärt, das Verhalten des Beamten aus anderen, vom Beamten nicht angestellten rechtlichen Erwägungen als objektiv gerechtfertigt angesehen hat, wenn es sich bei dem beanstandeten Verhalten um eine grundsätzliche Maßnahme einer zentralen Dienststelle bei Anwendung eines ihr besonders anvertrauten Spezialgesetzes handelt, wenn die Entscheidung des Gerichts auf Basis einer lediglich summarischen Prüfung getroffen wurde und wenn d...