Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 914
Kann der Verletzte auf andere Weise Ersatz verlangen, entfällt der Anspruch, wenn dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last fällt. Zugleich entfällt auch die Haftung des Staates nach Art. 34 GG. Auf der einen Seite möchte die Rechtsprechung unter der Möglichkeit anderweitigen Ersatzes alle Möglichkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art verstehen; auf der anderen Seite grenzt sie den Anwendungsbereich des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB gerade hinsichtlich für das Unfallhaftpflichtrecht wesentlicher haftungsauslösender Pflichtverletzungen ein. Als speziell auf das Amtshaftungsrecht zugeschnittene Haftungsbeschränkungsklausel verbietet sich die analoge Anwendung auf andere Anspruchsgrundlagen, die durch die Amtspflichtverletzung ebenfalls erfüllt sein können. Ohne Rücksicht auf die anderweitige Ersatzmöglichkeit greift die Haftung der zuständigen Anstellungskörperschaft für fahrlässiges Verhalten eines Beamten deshalb dann ein, wenn sie sich aus anderen gesetzlichen Bestimmungen oder aus Vertrag ergibt. Es reicht auch nicht die bloße Möglichkeit, von einem Dritten den Ersatz des Schadens zu erlangen, sondern es kommt in enger Auslegung des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nach der Rechtsprechung auch darauf an, ob der Anspruch gegen einen Dritten nach seiner Zweckrichtung den Schaden endgültig ausgleichen soll. Konsequenz der Subsidiaritätsklausel – soweit sie eingreift – ist deshalb, dass eine Gesamtschuld im Verhältnis zu konkurrierenden Ansprüchen gegen Dritte nicht besteht und Ausgleichsansprüche nach §§ 840 Abs. 1, 426 BGB ausscheiden.
Rz. 915
§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB verlangt indes nicht, dass sich der Geschädigte auf Ersatzansprüche verweisen lassen muss, die er nicht oder jedenfalls nicht in absehbarer und angemessener Zeit durchsetzen kann. Auch weitläufige, unsichere oder im Ergebnis zweifelhafte Wege des Vorgehens gegen Dritte braucht er nicht einzuschlagen. Die Ausnutzung anderweitiger Ersatzmöglichkeiten muss dem Geschädigten vielmehr zumutbar sein. Unzumutbarkeit ist anzunehmen, wenn aus prognostischer Sicht ex ante die Inanspruchnahme des Dritten mit ungewissen Erfolgsaussichten verbunden oder wegen der Vermögenslage des Schuldners zweifelhaft ist, ob der Anspruch wirtschaftlich auch tatsächlich in angemessener Zeit realisiert werden kann. Solange hierzu keine abschließenden Feststellungen möglich sind, kann eine auf § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB gegründete Abweisung der Amtshaftungsklage grundsätzlich nur als "derzeit unbegründet" erfolgen; eine solche Klageabweisung hat lediglich vorläufigen Charakter und setzt überdies voraus, dass die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Amtshaftungsanspruchs erfüllt sind. Ist eine Amtshaftungsklage aufgrund des Verweisungsprivilegs abgewiesen worden, steht die Rechtskraft einer erneuten Klageerhebung demgemäß nicht entgegen, wenn sich später herausstellt, dass ein anderweitiger Ersatzanspruch nicht vorliegt oder nicht durchsetzbar ist. Werden im Rahmen einer Klage Amtshaftungsansprüche und Ansprüche gegen Dritte zusammen verfolgt, kann zugunsten des Amtshaftungsbeklagten nicht vorab durch Teilurteil entschieden werden, da die Gefahr widersprechender Entscheidungen im Rechtsmittelzug besteht.
Rz. 916
Die Unmöglichkeit, anderweitig Ersatz zu erlangen, bildet einen Teil des Tatbestandes, aus dem der Amtshaftungsanspruch hergeleitet wird. Solange eine anderweitige Ersatzmöglichkeit ernsthaft in Betracht kommt, ist eine Amtshaftungsklage somit unschlüssig, es sei denn, es steht bereits fest, dass der Dritte nur zu einem Teil haftet. Hieraus folgt, dass der Verletzte das Vorliegen dieser zur Klagebegründung gehörenden (negativen) Voraussetzung des Amtshaftungsanspruchs darzulegen und im Streitfall zu beweisen hat. Entsprechendes gilt für die Frage, ob dem Geschädigten die Inanspruchnahme der anderweitigen Ersatzmöglichkeit unzumutbar ist.