Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 272
Die Beherrschung eines bestimmten Bereichs, aus dem Gefahren für Dritte resultieren können, führt zu einer Zustandsverantwortlichkeit des berechtigten Inhabers der tatsächlichen Gewalt. Dies meint die Formulierung der Rechtsprechung: Wer eine Gefahr schafft oder sie in seinem Verantwortungsbereich andauern lässt, muss die erforderlichen Maßnahmen und Vorkehrungen treffen, um daraus für Dritte entstehende Gefahren abzuwenden. Es geht daher nicht (nur) um Gefahrschaffung, sondern darum, dass jeder für den Zustand seines Bereichs einzustehen hat. Die Verkehrssicherungspflicht kraft Beherrschung eines bestimmten Sachbereichs trifft zwar oft den Eigentümer, sie hängt aber nicht vom Eigentum ab. Entscheidend ist das Innehaben der tatsächlichen Sachherrschaft, so dass auch Mieter und Pächter verkehrssicherungspflichtig sind.
Für die Bereichshaftung ist unerheblich, wer die Gefahr geschaffen hat. Derjenige, der die Gefahr geschaffen hat, muss nicht derjenige sein, der die Gefahr in seinem Bereich andauern lässt. So haftet der Eigentümer eines Grundstücks einem Dritten, der in eine Grube auf seinem Grundstück fällt, auch wenn nicht er, sondern ein von ihm beauftragter Bauunternehmer die Grube ausgehoben und nicht gesichert hat. Die Bereichshaftung kann also neben die Haftung desjenigen treten, der die Gefahr geschaffen hat. In dem Beispielsfall haften beide als Gesamtschuldner. Die Verantwortung für den eigenen Bereich umfasst auch bewegliche Sachen. Wer Waffen, Sprengstoff, Arzneien oder gefährliche Chemikalien besitzt, hat sie so zu verwahren, dass Dritte nicht zu Schaden kommen.
Rz. 273
Wer in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (Verband) für die Verletzung einer auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Verkehrssicherungspflicht haftet, ist bislang noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt. Anerkannt ist insoweit nur, dass ein nicht dem Verband angehörender Dritter diesen in Anspruch nehmen kann, wobei sich der Verband gemäß §§ 31, 89 BGB analog sowohl das schuldhaft pflichtwidrig organschaftliche Verhalten des Verwalters als auch das Organisationsverschulden der Wohnungseigentümer zurechnen lassen muss. Streitig ist, ob es sich bei Verkehrssicherungspflicht um eine originäre Pflicht des Verbandes gemäß § 10 Abs. 6 S. 2 WEG handelt oder ob die Wohnungseigentümer als Grundstückseigentümer verkehrssicherungspflichtig sind und eine Haftung des Verbands deshalb auf der in § 10 Abs. 6 S. 3 Hs 1 WEG angeordneten "Wahrnehmung" von gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer beruht. Ungeklärt ist zudem, ob die Wohnungseigentümer selbst verkehrssicherungspflichtig bleiben und von dem außenstehenden Dritten neben dem Verband auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden können. Schließlich ist bislang nicht entschieden, ob im Falle der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht eine Haftung des Verbandes nur gegenüber Dritten besteht oder ob auch ein Wohnungseigentümer einen deliktischen Schadensersatzanspruch gegen den Verband haben kann.