Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 701
Die in § 831 Abs. 1 S. 2 BGB genannten Sorgfaltspflichten sollen die Verursachung von Schäden verhindern. Daher soll sich der Geschäftsherr beim Einsatz von Hilfspersonen nur exkulpieren können, wenn er bei der Auswahl der bestellten Hilfspersonen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt aufgebracht hat. Er darf Verrichtungsgehilfen nur solche Tätigkeiten übertragen, deren gefahrlose Durchführung er von ihnen erwarten kann. Deshalb richten sich die Anforderungen an Maß und Umfang der Pflichten nach der Verkehrsanschauung, der Art der Verrichtung und den Umständen des Einzelfalls.
Der Geschäftsherr muss sich von den Fähigkeiten, der Eignung und der Zuverlässigkeit seiner Hilfspersonen überzeugen. Je größer das Gefahrenpotential der Verrichtung ist, desto strenger sind die Auswahlkriterien. Für eine untergeordnete Tätigkeit ohne besondere Gefahren wird die Prüfung der körperlichen und der allgemein fachlichen Zuverlässigkeit der bestellten Person in der Regel genügen. Allerdings braucht nicht gerade derjenige Mangel des Gehilfen zum Schaden geführt haben, den der Geschäftsherr bei der Auswahl oder Überwachung erkennen musste, aber schuldhaft nicht beachtet hat. Lässt sich der konkrete Verursacher des Schadens nicht mehr ermitteln, so muss der Geschäftsherr darlegen und beweisen, dass er alle Personen, die als Täter in Betracht kommen, ordnungsgemäß ausgesucht und überwacht hat.
Rz. 702
Auswahl des Verrichtungsgehilfen: Grundsätzlich darf der Geschäftsherr eine Tätigkeit nur solchen Gehilfen übertragen, die hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen und von denen eine gefahrlose Durchführung erwartet werden kann. Er muss sich insoweit von ihren Fähigkeiten, ihrer Eignung und ihrer Zuverlässigkeit überzeugen. Bei einfachen Verrichtungen und untergeordneten Tätigkeiten wie etwa Haushaltshilfen ist es in der Regel ausreichend, Fragen bezüglich Alter und Beruf zu klären und anhand der gewonnenen Erkenntnisse die Geeignetheit und Zuverlässigkeit des Gehilfen einzuschätzen.
Besonders scharfe Maßstäbe sind an die Auswahlsorgfalt anzulegen, wenn die Tätigkeit, die dem Gehilfen übertragen wird, mit Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder mit gravierenden Risiken für Leben, Gesundheit oder Eigentum Dritter verbunden ist. Im Hinblick darauf, dass sich aus einer mangelnden Qualifikation des Gehilfen Gefahren für deliktsrechtlich geschützte Interessen ergeben können, muss sich der Geschäftsherr bei der Einstellung des Gehilfen von dessen Eignung für den ihm zugedachten Tätigkeitskreis im Rahmen des Möglichen überzeugen. Gegebenenfalls kann sich eine Erprobung des Auszuwählenden als notwendig erweisen.
Rz. 703
Bei dem Gehilfen angetragenen Tätigkeiten, die mit Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder mit gravierenden Risiken für Leben, Gesundheit oder Eigentum Dritter verbunden sind, etwa Ärzte, Kraftfahrer oder Bewachungspersonal, muss sich der Geschäftsherr nicht nur über deren berufliche Sachkunde, sondern auch über moralische Eigenschaften wie Charakterstärke, Besonnenheit oder Verantwortungsgefühl vergewissern. Sorgfaltsmängel bei der Einstellung treten jedoch in ihrer Bedeutung zurück, wenn der Verrichtungsgehilfe jahrelang seinen Dienst ohne Beanstandungen verrichtet hat.
Rz. 704
§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB verlangt eine vollständige Entlastung des Geschäftsherrn, ohne nach einem konkreten Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Auswahl-, dem Überwachungs- oder dem Organisationsverschulden des Geschäftsherrn einerseits und der Schädigungshandlung des Verrichtungsgehilfen andererseits zu fragen.