Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 1136
Nebentäter sind deliktisch Handelnde, die den Schaden ohne bewusstes Zusammenwirken durch selbstständige unerlaubte Handlungen vollbracht haben. Sie sind nebeneinander verantwortlich, wenn sie nicht nur einen abgrenzbaren Teilschaden verursacht, sondern eine zurechenbare Bedingung für den Gesamtschaden gesetzt haben.
Rz. 1137
Auf das Handeln fahrlässiger Nebentäter ist § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht anwendbar.
Im Ausgangspunkt ergibt sich aus § 840 Abs. 1 BGB zunächst, dass der Geschädigte von jedem der fahrlässigen Nebentäters grundsätzlich den Ersatz seines gesamten Schadens verlangen kann. Es besteht im Verhältnis zum Geschädigten grundsätzlich die volle Haftung, ohne dass einer der Schädiger auf den Tatbeitrag des anderen verweisen könnte. Im Innenverhältnis ist die Haftung zwischen den Gesamtschuldnern aber nach § 426 Abs. 1 BGB entsprechend den jeweiligen Anteilen an der Herbeiführung des Schadens aufzuteilen.
Rz. 1138
Dieser Grundsatz ist aber z.B. dann eingeschränkt, wenn sich die Haftung eines einzelnen Nebentäters aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Grundlage ergibt und hierdurch für seine Haftung spezialgesetzliche Haftungsobergrenzen zu beachten sind (z.B. § 12 StVG, § 10 ProdHaftG; § 10 HaftPlfG; zur Beschränkung bei enteignungsrechtlichem Entschädigungsmaßstab vgl. BGH, Urt. v. 26.11.1982). Liegt der Gesamtschaden höher, besteht die Gesamtschuld nur in der sich aus einer solchen Begrenzung ergebenden Höhe. Für den weiteren Betrag haften nur der nicht der Begrenzung unterliegende Schädiger allein oder bei mehreren nicht der Begrenzung unterliegenden Schädigern diese ggf. wiederum als Gesamtschuldner.
Rz. 1139
Gleiches gilt, wenn sämtliche fahrlässig handelnde Schadensverursacher eine Haftungseinheit bilden. In allen diesen Fällen ergibt sich der von den Gesamtschuldnern aufzubringende und untereinander zu verteilende Schaden aus dem Gesamtschaden des Geschädigten abzüglich des Anteils vom Schaden, den der Geschädigte im Falle seiner Mitverantwortlichkeit selbst tragen muss. Denn in diesen Fällen erfolgt die Verteilung des Schadens zwischen dem Geschädigten und den ihm haftenden Schadensverursachern nicht anders als stünde dem Geschädigten nur ein einziger Schadensverursacher gegenüber.
Rz. 1140
Besonderheiten ergeben sich schließlich, wenn die Beiträge der Schädiger nicht zu einer Haftungs- oder Zurechnungseinheit verbunden sind und auch dem Geschädigten ein Mitverursachungsanteil anzulasten ist. Um unbillige Ergebnisse zu vermeiden, ist in diesen Fällen das Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung mit dem Abwägungsprinzip des § 254 BGB bzw. des § 17 StVG in Einklang zu bringen, indem die Einzelabwägungen zwischen dem Geschädigten und den jeweiligen Schädigern mit einer aus der Gesamtschau gewonnenen Solidarabwägung im Sinne einer Gesamtabwägung verknüpft werden. Dies erfolgt auch, wenn es um die Berechnung von Ausgleichsansprüchen geht. Dabei werden die Einzelabwägungen zwischen dem Geschädigten und den einzelnen Schädigern kombiniert mit einer aus der Gesamtschau gewonnenen Solidarabwägung. Diese Gesamtabwägung dient dem Zweck, den bei Zugrundelegung der bloßen Einzelabwägung nach seinem Kausalbeitrag benachteiligten Geschädigten besser zu stellen, aber auch keinen der Nebentäter auf einen höheren Betrag haften zu lassen, als es seinem Verursacherbeitrag gegenüber dem Schädiger entspricht. Sie stellt ferner sicher, dass der Geschädigte von allen Schädigern insgesamt nicht mehr fordern kann als den Anteil an dem zu ersetzenden Schaden (Gesamtquote), der im Wege einer Gesamtschau eines Schadensereignisses den zusammenaddierten Verantwortungsanteilen sämtlicher Schädiger im Verhältnis zur Mitverantwortung des Geschädigten entspricht ("Gesamtabwägung").
Rz. 1141
Mit derartigen Fallkonstellationen hat sich die Rechtsprechung wiederholt zu befassen gehabt. Wegen weiterer Fallbeispiele wird auf die in der Literatur zusammengestellten Gerichtsentscheidungen verwiesen.
Rz. 1142
Die nach den oben geschilderten Grundsätzen zu bildende Schadensquote ist stets zu ermitteln, wenn der Geschädigte gegen mehrere Nebentäter gleichzeitig vorgeht oder wenn sich im Anschluss an die Inanspruchnahme eines der Nebentäter die Frage stellt, was die übrigen Nebentäter noch zu zahlen haben. Wird vor Inanspruchnahme der weiteren Nebentäter zunächst nur einer verklagt, bleibt es in diesem Prozess hingegen bei der Einzelabwägung.
Rz. 1143
Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist im Urteil zum Ausdruck zu bringen, welchen Betrag oder Anteil die einzelnen Schädiger – entsprechend ihrer Einzelquote – zu leisten haben. Des Weiteren sind diese Verpflichtungen auf einen der Gesamthaftungsquote entsprechenden Betrag oder Anteil zu begrenzen.
Zu beachten ist, dass in Fällen, in denen der Geschädigte mehrere Beklagte im Wege subjektiver Klagehäufung in Anspruch nimmt und die Beklagten einfache Streitgenossen sind, das Urteil – von den Fälle...