Rz. 692

Die übertragene Tätigkeit kann entgeltlich oder unentgeltlich sein, tatsächlicher oder rechtsgeschäftlicher Natur.[2071] Zur Haftungsbegründung des Geschäftsherrn muss der Verrichtungsgehilfe die schädigende Handlung in Ausführung dieser Verrichtung begangen haben. Eine Handlung ist in Ausführung der übertragenen Verrichtung begangen, wenn sie in den Kreis der Tätigkeiten fällt, die die Ausführung des dem Gehilfen erteilten Auftrages mit sich bringt. Dabei ist erforderlich und ausreichend, dass die schädigende Handlung mit der übertragenen Verrichtung in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang steht.[2072] Ist ein solcher innerer Zusammenhang gegeben, so handelt der Gehilfe grundsätzlich auch dann in Ausführung der übertragenen Verrichtung, wenn er im Einzelfall seine Befugnisse bewusst und eigenmächtig überschritten hat.[2073] Selbst vorsätzliche Straftaten schließen den inneren Zusammenhang nicht notwendig aus.[2074] Deshalb ist § 831 BGB anwendbar, wenn die Hilfsperson gerade die mit der übertragenen Verrichtung zusammenhängenden Pflichten verletzt.[2075] Der innere Zusammenhang ist jedoch dann zu verneinen, wenn der Gehilfe rein zufällig mit den Rechtsgütern des Geschädigten in einer Weise in Berührung gekommen ist, die ihm lediglich die Gelegenheit bot, wie ein deliktisch handelnder Dritter eine von den ihm übertragenen Aufgaben völlig losgelöste unerlaubte Handlung zu begehen.[2076]

 

Rz. 693

Der Weg von und zur Arbeitsstelle ist grundsätzlich keine dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber übertragene Verrichtung. Der Unternehmer haftet deshalb nicht nach § 831 BGB für vom Arbeitnehmer auf dem Arbeitsweg verursachte Schäden.[2077] Fährt etwa ein Zeitungsausträger zunächst mit dem Fahrrad von zu Hause bis zum Beginn seines Austragebezirks und beginnt nunmehr, die Zeitungen auszutragen, so ist nur der Weg innerhalb des Austragebezirks eine Verrichtung, die ihm von dem Auftraggeber aufgetragen worden ist.

 

Rz. 694

Beispiele:

Der innere Zusammenhang besteht, wenn ein mit der Beaufsichtigung lagernden Bauholzes betrauter Arbeiter spielende Kinder durch Bewerfen mit Holzstücken vertreiben will und eines dabei verletzt.[2078]
Auch das verbotswidrige Fahren mit einem Anhänger, um einen Frachtauftrag schneller auszuführen, steht ebenso wie das Fahren eines nicht zugelassenen Baggers im Straßenverkehr anstelle der Verbringung per Tieflader[2079] im inneren Zusammenhang mit der übertragenen Verrichtung.[2080]
Lässt ein Unternehmer eine größere Kolonne von Arbeitern in fremden Räumen arbeiten und hat er zur Verhinderung von Diebstählen eine Aufsichtsperson bestellt, so haftet der Unternehmer nach § 831 BGB, wenn die Aufsichtsperson es widerrechtlich unterlässt, planmäßige Diebstähle auf dem Grundstück des Eigentümers durch die Arbeiter während der Arbeitszeit zu verhindern.[2081]
 

Rz. 695

Dagegen ist für Schäden, die der Verrichtungsgehilfe nur bei Gelegenheit (bei äußerem Zusammenhang), also unter Ausnutzung der ihm übertragenen Tätigkeit, anrichtet, der Geschäftsherr nicht verantwortlich.[2082] Gleiches gilt, wenn der Gehilfe rein zufällig mit den Rechtsgütern des Geschädigten in einer Weise in Berührung gekommen ist, die ihm lediglich die Gelegenheit bot, wie ein deliktisch handelnder Dritter eine von den ihm übertragenen Aufgaben völlig losgelöste unerlaubte Handlung zu begehen.[2083] So liegt es etwa, wenn der Aushilfsarbeiter eines Reinigungsunternehmens während der Erledigung in abseits gelegenen – nicht zu reinigenden – Räumen des Hauses des Auftraggebers einen Diebstahl begeht.[2084] Der innere Zusammenhang fehlt immer auch dann, wenn das Verhalten des Gehilfen seiner Art nach aus dem Kreis oder dem allgemeinen Rahmen der ihm anvertrauten Aufgaben herausfällt,[2085] etwa wenn ein mit der Überführung eines Flugzeugs beauftragter Pilot stattdessen einen Rundflug unternimmt,[2086] wenn ein angestellter Physiotherapeut einen sexuellen Übergriff begeht[2087] oder wenn ein Hotelangestellter einen Gast schlägt und beleidigt.[2088]

[2072] BGH, Urt. v. 6.10.1970 – VI ZR 56/69, NJW 1971, 31; BGH, Urt. v. 24.1.1967 – VI ZR 284/64, VersR 1967, 353.
[2073] BGH, Urt. v. 6.10.1971 – VI ZR 56/69, VersR 1970, 1157; BGH, Urt. v. 24.1.1967 – VI ZR 284/64, VersR 1967, 353.
[2074] BGH, Urt. v. 4.5.1971 – VI ZR 126/69, DB 1971, 1714; OLG Hamm, Urt. v. 16.6.2009 – 9 U 200/08, NJW-RR 2010, 454.
[2075] BGH, Urt. v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, NJW 1968, 391; Staudinger/Bernau, § 831 Rn 128 m. w. Beispielen.
[2076] BGH, Urt. v. 14.2.1989 – VI ZR 121/88, VersR 1989, 522; vgl. dazu unten Rdn 695.
[2077] Palandt/Sprau, § 831 Rn 9; juris-PK/Matusche-Beckmann, § 831 Rn 110 m.w.N.
[2078] BGH, Urt. v. 2.2.1955 – VI ZR 225/53, VersR 1955, 205.
[2079] BGH, Urt. v. 20.9.1966 – VI ZR 258/64, VersR 1966, 1074.
[2080] BGH, Urt. v. 6.10.1970 – VI ZR 56/69, VersR 1970, 1157.
[2081] BGH, Urt. v. 4.11.1953 – VI ZR 64/52, BGHZ 11, 151.
[2082] BGH, Urt. v. 4.5.1971 – VI ZR 126/69, WM 1971, 906.
[2083] B...

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