Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 1297
Die Abwägung folgt auch hier den allgemeinen Grundsätzen. Zu berücksichtigen ist, dass sich jede Verkehrswidrigkeit und jede Herbeiführung eines Hindernisses auf den Schnellverkehr besonders gefährdend auswirkt. Der zu schnell fahrende Kraftfahrzeugführer erhöht die Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeuges. Die Abwägung nach Verursachungsanteilen wird hier besonders berücksichtigen müssen, wer jeweils die erste Ursache gesetzt hat. Deshalb liegen auch schuldhafte Folgeunfälle weiterer Fahrer bei einem Anhalten auf der Autobahn nicht fern und sind keineswegs untypische Folgen der damit verbundenen Betriebsgefahr.
Rz. 1298
Gerät durch einen Unfall auf der Autobahn ein Hindernis, z.B. ein Stück der Mittelleitplanke, auf die Gegenfahrbahn und hat einen leicht vermeidbaren Auffahrunfall zur Folge, so haftet der Verursacher des ersten für einen Teil der Schäden des letzten Unfalls. Bei einem Auffahrunfall auf der Autobahn im Bereich der Überholspur nach Schleudern und/oder Stehenbleiben des Vorausfahrenden kommt auch bei fehlender Unabwendbarkeit nicht stets eine Mithaftung des nachfolgenden Fahrzeuges in Betracht, weil die Betriebsgefahr des schleudernden und den linken Fahrstreifen völlig versperrenden Fahrzeuges bei weitem überwiegt. Die Abwägung der Betriebsgefahren beim Auffahren eines mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h fahrenden Pkws auf ein davor fahrendes Fahrzeug, das sich aus ungeklärten Gründen zwischen den beiden Fahrstreifen befunden hat, kann zu einer Haftungsverteilung von 1:1 führen, wenn auf keiner Seite ein Verschulden bewiesen ist.
Rz. 1299
Fährt ein Pkw-Fahrer des Nachts auf einer Autobahn auf ein infolge eines Unfalls unbeleuchtet auf dem Überholfahrstreifen liegen gebliebenes Fahrzeug auf, so trifft ihn im Verhältnis zu dem für die Entstehung dieses Hindernisses Verantwortlichen eine Mithaftung von 20 %, wenn er trotz Anzeichen für eine außergewöhnliche Situation nur den Fahrstreifen wechselt anstatt aufzublenden oder seine Geschwindigkeit herabzusetzen.
Rz. 1300
Der auffahrende Pkw-Fahrer kann seinen Schaden allein zu tragen haben, wenn er auf einen in der Dunkelheit auf dem linken Fahrstreifen nach einem Erstunfall ohne Verschulden des Fahrzeugführers ungesichert liegen gebliebenen Anhänger auffährt, weil er trotz unklarer Verkehrslage zu schnell gefahren ist. Kommt es infolge eines Verstoßes gegen das Sichtfahrgebot beim Überholen auf der Autobahn zu einem Auffahren auf ein bereits zuvor verunfalltes Fahrzeug, das den Überholstreifen blockiert, tritt auch die Betriebsgefahr dieses Fahrzeuges hinter den Verursachungsbeitrag des Auffahrenden zurück. Ist das Fahrzeug auf dem linken Fahrstreifen durch lediglich leichtes Fahrerverschulden liegen geblieben, haftet der Nachfolgende überwiegend zu 65 %. Trotz eines Verstoßes gegen das Sichtfahrgebot kommt jedoch eine überwiegende Haftung des Halters des liegen gebliebenen Fahrzeugs im Umfang von 75 % in Betracht, wenn dessen Fahrer es leichtfertig unterlassen hat, den nachfolgenden Verkehr zu warnen.
Rz. 1301
Kommt es in der Dunkelheit zur Kollision zwischen einem auf dem rechten Fahrstreifen der Autobahn unbeleuchtet liegenden Pkw und einem nachfolgenden Fahrzeug, so haftet der nachfolgende Fahrer bei beiderseitigem Unfallverschulden überwiegend im Verhältnis von 1 zu 2. Wer im Bereich einer Steigung auf einer Bundesautobahn in der Dunkelheit auf einen relativ langsam fahrenden beladenen Lkw auffährt, der zwar nur schwach aber dennoch vorschriftsgemäß beleuchtet ist, haftet für den entstandenen Schaden ggf. allein.
Rz. 1302
Steht bei einem Auffahrunfall auf der Autobahn fest, dass vor dem Unfall ein FahrstreifenwechseI des Vorausfahrenden stattgefunden hat, ist der Sachverhalt aber im Übrigen nicht aufklärbar, fehlt es an einer Grundlage für die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises. Es ist von hälftiger Schadensteilung auszugehen. Beruht der Unfall aber nachweislich auf einem Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO, so haftet der Fahrstreifenwechsler allein, sofern dem Unfallgegner kein fehlerhaftes Verhalten zur Last gelegt werden kann. Die nicht gesteigerte Betriebsgefahr des anderen beteiligten Fahrzeugs tritt in einem solchen Fall zurück, und zwar unabhängig davon, ob der Wechsel vom linken auf den rechten oder vom rechten auf den linken Fahrstreifen erfolgt ist. Eine Geschwindigkeit von mindestens 160 km/h auf der Autobahn erhöht aber die Betriebsgefahr und kann zur Mithaftung von 20 % für einen Unfall führen, der durch verbotswidriges Ausscheren eines vorausfahrenden Pkw verursacht wird. Eine Geschwindigkeit von mindestens 170 km/h auf der Autobahn erhöht die Betriebsgefahr und führt zur Mithaftung von 25 % für einen Unfall, der durch verbotswidriges Ausscheren eines Lkw verursacht wird.
Rz. 1303
Ein Kraftfahrer, der auf der Autobahn einen vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer durch dichtes Auffahren bedrängt und mit dem Überholen beginnt während de...