Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 437
Die den Betreiber eines öffentlichen Bades treffende deliktische Garantenpflicht (vgl. Rdn 422) verlangt die Organisation einer Schwimm- und Badeaufsicht. Sie muss durch eine Fachkraft erfolgen, also grds. durch einen Fachangestellten oder einen geprüften Meister für Bäderbetriebe. Einzelne Aufgaben können einem Rettungsschwimmer übertragen werden. Die Aufsichtspersonen trifft kraft ihrer beruflichen Stellung eine deliktische Garantenpflicht gegenüber den Badegästen. Anhaltspunkte für die Organisation der Aufsicht ergeben sich aus der DIN EN 15288 – 2 und der Richtlinie 94.05 der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen e.V. Wie die Aufsicht auszugestalten ist und wie viele Aufsichtspersonen erforderlich sind, hängt von der Größe und Lage des Bäderbetriebs, der Anzahl der Besucher und der hierdurch bedingten Spitzenauslastung sowie dem Einsatz technischer Hilfsmittel – wie z.B. Videokameras – ab. Der Betreiber des Bades muss den Aufsichtspersonen gegebenenfalls Anweisungen erteilen, die eine ordnungsgemäße Aufsicht sicherstellen. Er ist verpflichtet, die Arbeitsweise der Aufsichtspersonen durch gelegentliche unerwartete Kontrollen zu überprüfen.
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In einer Schwimmhalle mit nur einem Becken von 25x12,5 m genügt eine Fachkraft als Aufsicht. Besondere Gefahrenmomente – wie beispielsweise der Einsatz von Wasserspielgeräten – können aber eine weitere Aufsichtsperson erfordern. |
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Die Aufsicht über ein 50x26 m großes Schwimmbecken in einem Freibad an einem Sonntag mit 1500 Besuchern, von denen sich etwa 150 bis 200 im Wasser aufhielten, durch einen "leitenden Bademeister", einen "Bademeistergehilfen" (heute Fachangestellter für Bäderbetriebe) und zwei Helfer der DLRG (Rettungsschwimmer) wurde als ausreichend angesehen. |
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Die Aufsicht ist unzureichend organisiert, wenn ein Lehrschwimmbecken mangels Absprache zwischen den Aufsichtspersonen für längere Zeit unbeaufsichtigt bleibt. |
Rz. 438
Die Badeaufsicht erstreckt sich nicht nur auf Vorgänge in den Schwimmbecken, sondern umfasst den gesamten Bäderbetrieb, wie die Verkehrswege, Liegewiesen und die Zugänge zu den Becken. In Notfällen muss die Aufsichtsperson unverzüglich eingreifen können. Im Mittelpunkt steht jedoch die Wasserbeobachtungspflicht. Zwar ist eine lückenlose Aufsicht über die Badegäste nicht üblich, praktisch nicht möglich und auch nicht notwendig. Die Schwimmaufsicht ist aber verpflichtet, den Badebetrieb und damit auch das Geschehen im Wasser zu beobachten und mit regelmäßigen Kontrollblicken daraufhin zu überwachen, ob Gefahrensituationen für die Badegäste auftreten. Dabei ist der Beobachtungsort so wählen, dass der gesamte Schwimm- und Sprungbereich überwacht und auch in das Wasser hineingeblickt werden kann, was gegebenenfalls häufigere Standortwechsel erfordert. Sie muss sich jedoch nicht ständig am Beckenrand aufhalten.
Rz. 439
Verlässt eine Aufsichtsperson kurzfristig den Bereich des Badebetriebs, muss gewährleistet sein, dass eine andere Aufsichtsperson die Kontrollaufgaben während dieser Zeit übernimmt. Die Wasserbeobachtungspflicht ist verletzt, wenn die allein diensthabende Aufsichtsperson sich von einem Standort, von dem aus sie das Schwimmbecken und die Wasseroberfläche im Blick behalten kann, entfernt, um eine 80 m entfernte Toilette aufzusuchen. Wenn der Aufsichtsperson keine anderen Aufsichtskräfte zur Verfügung stehen, muss sie im Fall unvermeidbarer Abwesenheit grds. andere Schutzmaßnahmen treffen. Zumindest muss sie die Badegäste auf die bevorstehende Aufsichtslücke hinweisen. Die Schwimmaufsicht verletzt ihre Pflicht nicht schon dadurch, dass sie sich zeitweise im Schwimmmeisterraum aufhält, sofern sie von dort aus das Schwimmbecken großflächig überblicken kann. Es ist jedoch wegen der Gefahr der gegenseitigen Ablenkung nicht sachgerecht, wenn beide Aufsichtspersonen zugleich im Schwimmmeisterraum Kaffee trinken.
Rz. 440
Wenn die Schwimmaufsicht einen über dem Boden des Schwimmbeckens treibenden Körper mindestens fünf Minuten lang nicht bemerkt, obwohl sie einen günstigen Standort unmittelbar am Beckenrand hat, verletzt sie ihre Aufsichtspflicht. Ertrinkt ein Badegast, spricht zumindest ein Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit der Verletzung der Schwimmaufsicht für den Tod.
Rz. 441
Die Aufsichtsperson muss die erforderlichen Rettungsaktionen unverzüglich und im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sachgerecht durchführen oder zumindest in die Wege leiten. Bei Unglücksfällen muss sie Notrufe unverzüglich gegenüber dem richtigen Adressaten und unter genauer Bezeichnung des Notfalls ausführen. Verdächtige Umstände, die ein Hinweis auf eine lebensgefährliche Situation sein können – wie eine abgesenkte Boje – geben der Aufsicht Anlass, unverzüglich selbst die Ursache aufzuklären. Der Betreiber einer Badeanstalt hat organisatorische Maßnahmen für die sachgerechte Durführung von Notrufen zu tre...