Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 614
§ 830 BGB behandelt drei Fallgestaltungen: die gemeinsame Schadensverursachung durch Mittäter (§ 830 Abs. 1 S. 1 BGB), die Schadensverursachung durch mehrere Beteiligte (Abs. 1 S. 2) und durch Anstifter und Gehilfen (Abs. 2). Die Vorschrift betrifft nicht speziell das Deliktsrecht, sondern enthält einen allgemeinen Rechtsgedanken. Sie knüpft an eine Interessenlage des Geschädigten (Beweisnot hinsichtlich der Kausalität bei mehreren Schädigern) an, die sich in gleicher Weise in allen Fällen der Haftung stellen kann. Der Anwendungsbereich des § 830 BGB umfasst mithin nicht nur das Delikts- und Vertragsrecht, sondern auch die Gefährdungshaftung und öffentlich-rechtliche Schadensersatzansprüche des Dienstherrn nach öffentlichem Dienstrecht. Zudem findet Abs. 1 S. 2 entsprechende Anwendung auf den Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB, auf Entschädigungsansprüche aus enteignendem und enteignungsgleichem Eingriff und auf den Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB.
Rz. 615
§ 830 BGB bietet Geschädigten aus der dargestellten Interessenlage heraus eine selbstständige Anspruchsgrundlage, die unter den nachgenannten Voraussetzungen auf den sonst im Deliktsrecht unerlässlichen Nachweis, dass der in Anspruch Genommene den Schaden durch sein Verhalten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität), verzichtet.
Rz. 616
Die Anwendung der Bestimmung setzt voraus, dass jedem von mehreren Beteiligten ein anspruchsbegründendes Verhalten zur Last fällt, einer der Beteiligten den Schaden verursacht haben muss und nicht feststellbar ist, welcher von ihnen den Schaden tatsächlich oder in welchem Umfang verursacht hat. Für diese Tatbestandsmerkmale obliegt dem Geschädigten die Beweislast. Seiner Beweisnot hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität hilft § 830 BGB durch die normierte Kausalitätsvermutung ab. Die Bestimmung ist indes nicht anwendbar, wenn die konkrete Haftung eines der beteiligten Schädiger feststeht (etwa bei sog. Folgeschadensfällen). Dann ist der Geschädigte der Beweisnot hinsichtlich der Kausalität enthoben, die erst die Haftungsausweitung nach § 830 BGB rechtfertigt. Das Gleiche gilt, wenn außer dem Geschädigten nur ein weiterer Beteiligter als Verantwortlicher in Betracht kommt, weil dann ungewiss ist, ob der Geschädigte wenigstens gegen einen von mehreren anderen, denen ein ihre Haftpflicht begründendes Verhalten zur Last fällt, einen Ersatzanspruch hat.
Rz. 617
Rechtsfolge des § 830 BGB ist die Schadensersatzpflicht jedes der Beteiligten gegenüber dem Geschädigten für den ganzen Schaden als Gesamtschuldner gemäß den §§ 840 Abs. 1, 421 BGB. Alle Beteiligten werden durch § 830 Abs. 1 und 2 BGB haftungsrechtlich gleichgestellt; sie haften infolge der Vorschrift nicht nur für die Folgen des eigenen Tatbeitrags, sondern als Gesamtschuldner für den ganzen Schaden. Für den Ausgleich untereinander gilt § 426 BGB.