Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 955
Die Begriffe "Mitarbeiter" und "Beauftragter" dürften weitgehend dem Begriff des Beamten im haftungsrechtlichen Sinne entsprechen. Offengelassen hat der BGH, ob auch Kollegialorgane, wie der Gemeinderat oder Ausschüsse, unter den Begriff "Mitarbeiter" oder "Beauftragte" subsumiert werden können.
Rz. 956
Die Teilnahme öffentlich Bediensteter am allgemeinen Straßenverkehr unterfällt nur dann dem Anwendungsbereich des StHG, wenn Sonderrechte gemäß § 35 StVO in Anspruch genommen werden. Dies folgt aus dem Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung aller Straßenverkehrsteilnehmer.
Rz. 957
Ersatzansprüche wegen Versagens technischer Einrichtungen lassen sich nicht aus § 1 StHG herleiten, da das StHG auf die Ausübung staatlicher Tätigkeit durch "Mitarbeiter" oder "Beauftragte" abstellt. Für die hier in erster Linie in Frage stehende Haftung für das Versagen einer Verkehrsampelanlage ergibt sich der Haftungsausschluss aber auch aus den Straßengesetzen der neuen Länder. Dort ist ausdrücklich geregelt, dass die mit dem Bau und der Unterhaltung sowie der Erhaltung der Verkehrssicherheit der Straßen zusammenhängenden Pflichten aus dem Anwendungsbereich des Staatshaftungsgesetzes ausgeklammert sind. Die Rechtsprechung des BGH zu § 39 OBG NRW zum "feindlichen Grün", lässt sich also nicht auf das Staatshaftungsgesetz übertragen.
Rz. 958
Der Schaden muss in Ausübung staatlicher Tätigkeit verursacht worden sein. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Ausübung eines öffentlichen Amtes im Rahmen der Amtshaftung verwiesen werden.
Rz. 959
Ebenso wie zu § 39 OBG NRW stellt der BGH bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns im Sinne des § 1 StHG darauf ab, ob die getroffene Entscheidung im Ergebnis mit der objektiven Rechtslage übereinstimmt oder ob sie sachlich falsch ist und gegen die Rechtslage verstößt. Der Verwaltungsakt sei selbstständig, so, wie er sich im Ergebnis präsentiert, zu beurteilen. Ob daran auch nach der "Zeitungszeugen"-Entscheidung des BGH vom 15.12.2016 festzuhalten ist, erscheint zweifelhaft. In Bezug auf Maßnahmen, Entscheidungen oder Entschließungen der Staatsanwaltschaft bzw. des Ermittlungsrichters führt der BGH aus, dass dann, wenn diese unter Berücksichtigung eines zuzubilligenden Beurteilungsspielraums als vertretbar gelten, bereits auf Tatbestandsebene ein Amtshaftungsanspruch ausscheidet. Denn die Haftungseinschränkung begrenze den objektiven Umfang der wahrzunehmenden Pflichten. Es sei dann aber nur konsequent, in einem solchen Fall auch von der Rechtmäßigkeit der Maßnahme oder Entscheidung auszugehen. Es wäre widersprüchlich, einerseits die Vertretbarkeit einer bestimmten Ermittlungshandlung zu bejahen und andererseits eine andere Vorgehensweise als die "einzig richtige Lösung" anzusehen. Diese Überlegung beansprucht aber auch in anderen Zusammenhängen Geltung, wenn es um Fehler bei der Rechtsanwendung durch Behörden geht in Fällen, in denen die Rechtslage nicht eindeutig ist und mit fundierten Erwägungen eine vertretbare Entscheidung getroffen wird (der BGH will dem allerdings nicht folgen und den staatsanwaltschaftlichen und richterlichen Ermittlungsmaßnahmen eine Sonderstellung zuweisen). Unter Heranziehung des Kriteriums vom Schutzzweck der Norm hat der BGH zu § 39 OBG NRW mit Urteil vom 13.7.1993 entschieden, dass eine Baugenehmigung, die sich wegen späterer Aufdeckung des im Baugrundstück verborgenen Gefahrenpotentials (Altlasten) als rechtswidrige Maßnahme darstellt, keine Ersatzpflicht nach diesem Gesetz begründen kann, wenn die Baugenehmigungsbehörde trotz sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung die für Leben und Gesundheit künftiger Bewohner drohende Gefahr nicht erkennen konnte. Diese zutreffende Beurteilung spricht ebenfalls dafür, nicht ausschließlich auf eine ex post-Bewertung abzustellen.
Der Grundsatz der Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen gilt auch im Anwendungsbereich des § 1 StHG.
Rz. 960
In jedem Fall ist auch im Anwendungsbereich des StHG das haftungsbegrenzende Kriterium vom Schutzzweck der Norm zu berücksichtigen. Eine Haftung nach dem StHG kommt deshalb nur bei einem pflichtwidrigen Verstoß gegen eine drittschützende Amtspflicht in Betracht.
Rz. 961
Nicht anwendbar ist das StHG auf Fälle legislativen Unrechts. Soweit es um kommunale Satzungen geht, folgt dies schon daraus, dass das StHG Entscheidungen von Kollegialorganen nicht erfasst. Das gilt aber auch deswegen, weil nach der Rechtsprechung des BGH der Haftungstatbestand des § 1 StHG eine spezialgesetzlich ausgeformte Regelung eines enteignungsgleichen Eingriffs darstellt und das Haftungsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs keine Entschädigung für Fälle legislativen Unrechts bietet. Dabei ist zu beachten, dass auch der aufgrund einer – unerkannt – verfassungswidrigen Norm letztlich rechtswidrige Gesetzesvollzug nach den Sportwetten-E...