Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
1. Allgemeines
Rz. 643
Eine juristische Person handelt nicht selbst, sondern durch dazu bestellte Vertreter. Das ist in der Regel der Vorstand als satzungsmäßig berufener, gesetzlicher Vertreter nach § 26 BGB. Ferner können, wenn dies die Satzung vorsieht, gemäß § 30 BGB neben dem Vorstand für gewisse Geschäfte besondere Vertreter bestellt werden. Hierdurch kann unter der Vorstandsebene eine organschaftliche Vertretungs- und Handlungsorganisation eingerichtet werden. Im Rahmen des ihm zugewiesenen Geschäftsbereichs hat ein solcher besonderer Vertreter im Zweifel volle Vertretungsmacht (§ 30 S. 2 BGB). Die Bestellung zum besonderen Vertreter verleiht organschaftliche Stellung und unterscheidet sich vom rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten. Im Prozess ist er gleichwohl nur Zeuge und nicht Partei.
Rz. 644
Der in § 30 BGB verankerte organisationsrechtliche Grundsatz, dass besondere Vertreter mit beschränkter organschaftlicher Vertretungsmacht bestellt werden können, gilt entsprechend für alle Körperschaften, auch des öffentlichen Rechts und für den nichtrechtsfähigen Verein, nur nicht für die AG, deren Handlungsorganisation gesetzlich zwingend ausgestaltet ist. Erforderlich ist eine satzungsmäßige Grundlage, ein satzungsmäßiger Bestellungsakt und entsprechend § 64 BGB die Eintragung des besonderen Vertreters im Vereinsregister.
Rz. 645
Durch § 31 BGB wird dem Verein das Handeln seiner verfassungsgemäß berufenen Vertreter als eigenes Handeln zugerechnet. § 31 BGB ist somit keine haftungsbegründende, sondern eine haftungszuweisende Norm, die einen Haftungstatbestand voraussetzt. Sie weist die Haftung für schädigende Handlungen seiner Vertreter dem Verein zu. Die Vorschrift setzt eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung (Unterlassung bei Garantenpflicht) voraus, sei es aus deliktischem Handeln (§§ 823 ff. BGB), schuldlosem Handeln (§§ 228, 231, 904 BGB), Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§ 311 BGB), positiver Vertragsverletzung, Gefährdungshaftung oder Vornahme nachbarlicher Einwirkungen nach § 906 BGB (soweit in den beiden letztgenannten Bereichen die Haftung an ein bestimmtes Verhalten geknüpft ist).
Rz. 646
Der Anwendungsbereich des § 31 BGB umfasst nicht nur den rechtsfähigen Verein, Stiftungen (§ 86 BGB), den Fiskus sowie die Stiftungen, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts (§ 89 Abs. 1 BGB); er gilt entsprechend für alle juristischen Personen, für die AG, die Vor-GmbH, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, für die OHG und die KG, den nicht rechtsfähigen Verein (§ 54 S. 1 BGB etwa Arbeitgeberverbände, Studentenvereinigungen, Gewerkschaften, Kegelclubs u.a.; jedoch haften die handelnden Organpersonen hier nach § 54 S. 2 BGB zusätzlich persönlich); die Partnerschaftsgesellschaft, die eingetragene Genossenschaft, die inzwischen als teilrechtsfähig anerkannte Wohnungseigentümergemeinschaft, und die Insolvenzmasse hinsichtlich der Handlungen des Insolvenzverwalters. Umstritten ist die Anwendung auf die Erbengemeinschaft.