Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 1340
Stößt auf einem Bahnübergang ein Kraftfahrzeug mit einer Schienenbahn zusammen, so kann die Betriebsgefahr der Bahn bei der Ursachenabwägung völlig zurücktreten, falls dem Kraftfahrer gravierendes Verschulden angelastet werden muss. Trotz grob fahrlässigen Verhaltens des Fahrers eines Lkw-Gespanns haftet das Bahnunternehmen nach einem Unfall auf einem unbeschrankten Bahnübergang aber im Umfang von einem Drittel, wenn dem Bahnunternehmen ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht anzulasten ist. Die Eigenverantwortlichkeit des Pkw-Fahrers kann auf nur ein Drittel zu veranschlagen sein, wenn die Sichtbarkeit von Warnzeichen vor dem Bahnübergang durch Pflanzenwuchs eingeschränkt ist, oder auf die Hälfte bei sonstiger von dem Bahnunternehmen zu vertretender Sichtbeeinträchtigung.
Rz. 1341
Stets ist zu berücksichtigen, dass die Betriebsgefahr der Eisenbahn grundsätzlich deutlich höher zu veranschlagen ist als diejenige eines Pkws. Insbesondere die Schienengebundenheit, die hohe Bewegungsenergie, die durch begrenzte Bremsfähigkeit bedingte Länge des Bremsweges und schließlich auch das Fehlen von Schranken und Lichtsignalen spielen hier eine wesentliche Rolle. Kommt es auf einem unbeschrankten, nur mit einem Andreaskreuz gesicherten Bahnübergang zu einer Kollision zwischen einem Pkw und einem Nahverkehrszug, weil der Fahrer des Pkws in einer schwierigen Verkehrssituation leicht fahrlässig den gemäß § 19 StVO dem Schienenfahrzeug gebührenden Vorrang missachtet, ist eine Haftungsverteilung im Verhältnis von 60 zu 40 zu Lasten des Pkw-Halters angemessen. Bei leicht fahrlässiger Verletzung des Vorrangs der Schienenbahn durch den Pkw-Fahrer kommt nach einem Unfall auf einem ungesicherten Bahnübergang eine Mithaftung des Betreibers der Bahn im Umfang von nur einem Viertel in Betracht.
Rz. 1342
Ist der Übergang ampelgeregelt, trifft den Betreiber der Bahn bei der Abwägung gegenüber dem Halter eines Lkws auch beim Fehlen von (Halb-)Schranken keine erhöhte Betriebsgefahr. Bei einem Rotlichtverstoß tritt deshalb für den Bahnbetreiber keine Mithaftung ein.
Rz. 1343
Trifft das Bahnunternehmen nach mehreren Unfällen an einem gefährlichen und viel befahrenen, nur durch Blinklicht und akustische Signale gesicherten Bahnübergang keine weitergehenden Sicherungsmaßnahmen, so haftet es auch bei grober Fahrlässigkeit eines das Rotlicht missachtenden Lkw-Fahrers für dessen Schaden zu einem Drittel.
Rz. 1344
Bei besonders leichtsinniger Verletzung des Vorfahrtsrechts der Eisenbahn auf einem höhengleichen unbeschrankten Bahnübergang durch einen Lkw-Fahrer kann die für einen Zusammenstoß mitursächliche Betriebsgefahr der Bahn im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile völlig zurücktreten.
Rz. 1345
Bei der Kollision eines Pkw mit einem Zug auf einem Bahnübergang muss sich der Zugführer mangels Gefährdungshaftungstatbestandes die allgemeine Betriebsgefahr des Zuges nicht anrechnen lassen, eine Haftung kommt nur in Betracht, wenn dem Zugführer ein unfallursächliches Mitverschulden nachgewiesen werden kann.
Rz. 1346
Kommt es, ohne dass einem der Beteiligten Verschulden zur Last fällt, zu einem Zusammenstoß zwischen einem Eilzug, der nicht rechtzeitig abgebremst werden kann, und einem großen und schweren Mobilbagger, dessen Motor auf der Kreuzung der Schienen mit der Landstraße versagt, so hat die Bahn ein Drittel des Schadens zu tragen.
Rz. 1347
Zur Haftungsabwägung bei Kollisionen eines Kraftfahrzeuges mit einem Eisenbahnzug auf einem unbeschrankten Bahnübergang oder einem eine Straßenkreuzung durchschneidenden und deshalb besonders gefährlichen Bahnübergang vgl. OLG Köln Urt. v. 20.2.1989 – 8 U 43/88, VersR 90, 670; OLG München, Urt. v. 5.4.1991 – 10 U 6440/90, VersR 93, 242.