Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
1. Einzelwirkung und Gesamtwirkung
Rz. 1112
Tatsachen, die das Außenverhältnis betreffen, sind für den Innenausgleich grundsätzlich nur dann von Bedeutung, wenn ihnen nicht nur Einzelwirkung, sondern Gesamtwirkung zukommt. Welche Rechtstatsache im Verhältnis eines Schuldners zum Gläubiger auch für und gegen die anderen Schuldner wirkt, bedarf der gesonderten Prüfung. Dabei sind die Regelungen der §§ 422 bis 425 BGB zu beachten. Die Erfüllung und die Erfüllungssurrogate (§ 422 BGB) sowie der Gläubigerverzug (§ 424 BGB) und unter den in § 423 BGB näher beschriebenen Voraussetzungen ein Erlassvertrag wirken auch für die übrigen Schuldner, haben also Gesamtwirkung und sind deshalb im Rahmen des Innenausgleichs zu beachten. Andere Tatsachen wirken dagegen dem Grundsatz nach nur für und gegen den Mitschuldner, in dessen Person sie eintreten, § 425 BGB. Auch wenn Tatbestände vorliegen, die nicht in den §§ 422–424 BGB geregelt sind und die § 425 Abs. 2 BGB in seiner beispielhaften Aufzählung nicht enthält, ist zu prüfen, ob nicht doch bestimmten an sich der Einzelwirkung unterfallenden Tatsachen aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung oder nach Inhalt und Zweck des einzelnen Schuldverhältnisses eine Gesamtwirkung zukommen soll. Auch kann eine Gesamtwirkung auf Gesetz (z.B. § 115 Abs. 2 VVG) beruhen.
2. Verteilung nach Kopfteilen als Grundregel des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB
Rz. 1113
Im Ansatz ist von dem Grundsatz der Haftung zu gleichen Teilen auszugehen, wonach bei zwei Mitschuldnern jeder die Hälfte, bei drei Mitschuldnern jeder ein Drittel (usw.) zu tragen hat. Abweichend von dieser Grundregel, der Aufteilung nach Kopfteilen, können mehrere Gesamtschuldner zu einer Einheit zusammengefasst sein, so dass auf sie nur ein Kopfteil entfällt. Das betrifft die Fälle der Haftungseinheiten und der Zurechnungseinheiten bzw. Tatbeitragseinheiten (dazu Rdn 27 ff.). Will der Mitschuldner, der ganz oder teilweise (z.B. nur den fälligen Teil einer Forderung des Gläubigers) gezahlt hat, nach einer davon abweichenden Quote gegen einen oder mehrere Mitschuldner im Ausgleich vorgehen, muss er darlegen und beweisen, dass im Sinne des § 426 Abs. 1 BGB etwas anderes bestimmt ist.
3. Abweichungen von der Grundregel des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB
Rz. 1114
Dass "etwas anderes bestimmt" i.S.v. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB ist, kann sich aus dem Gesetz, einer ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache, also aus den Besonderheiten des tatsächlichen Geschehens ergeben. Beispiel für den bestimmenden Einfluss zugrunde liegender Schuldverhältnisse ist der Ausgleich unter Mitbürgen oder im Rahmen eines Zugewinnausgleichs einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
Rz. 1115
Im Unfallhaftpflichtrecht hat der die Schadensersatzpflicht begründende Sachverhalt zentrale Bedeutung für die Aufteilung des Schadens auf mehrere Schuldner. Deren innere Verbindung zu einem schadensstiftenden Vorgang liegt in dem zu vertretenden Anteil an der Verursachung. Der zurechenbare Verursachungsbeitrag ist deshalb auch das beherrschende Gestaltungs- und Verteilungsprinzip für den gesamtschuldnerischen Innenausgleich. Die Abwägung folgt dabei grundsätzlich vergleichbaren Regeln, wie sie für die Ermittlung des Eigenverursachungsanteils des Geschädigten gelten (§ 254 BGB, § 17 StVG, § 5 ProdHaftpflG, § 13 HaftpflG, § 41 LuftVG). Die zu diesen Bestimmungen entwickelte Rechtsprechung kann entsprechend herangezogen werden. Es ist danach in erster Linie zu fragen, in welchem Maße welcher Beitrag der am Unfall Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen hat. Das jeweilige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung.
Rz. 1116
Es gibt allerdings gesetzliche Ausgleichsregeln, die als andere Bestimmungen i.S.v. § 426 Abs. 1 BGB vorrangig zu berücksichtigen sind. So trägt der als Gesamtschuldner neben Fahrer und Halter eines Kraftfahrzeugs mithaftende Versicherer gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 VVG im Verhältnis der Gesamtschuldner untereinander den Schaden allein, soweit er dem Versicherungsnehmer aus dem Versicherungsverhältnis zur Leistung verpflichtet ist. Soweit eine solche Verpflichtung nicht besteht, ist im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer hingegen allein der Versicherungsnehmer verpflichtet, § 116 Abs. 1 Satz 2 VVG.
Besonderheiten für den Innenausgleich gelten ferner im Anwendungsbereich des § 840 Abs. 2 und 3 BGB. Grundgedanke dieser Vorschriften ist, dass in Fällen, in denen auf der einen Seite nur eine Gefährdungshaftung oder eine Haftung aus vermutetem Verschulden, auf der anderen Seite jedoch erwiesenes Verschulden vorliegt, im Innenverhältnis derjenige den ganzen Schaden tragen soll, der nachweislich schuldhaft gehandelt hat. Außerdem entspricht die Vorschrif...