Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 658
§ 89 Abs. 1 BGB ordnet die Anwendung des § 31 BGB auf den Fiskus sowie die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts an. Damit haften gemäß § 31 BGB auch diese Rechtsträger – wie die juristischen Personen des Privatrechts – auf Ersatz von Schäden, die durch das Handeln ihrer verfassungsmäßigen Vertreter verursacht worden sind.
Rz. 659
Fiskus bezeichnet den Staat oder einen der ihm eingegliederten öffentlich-rechtlichen Verbände in seiner Eigenschaft als Privatrechtssubjekt, mithin als Teilnehmer am Privatrechtsverkehr. Hierunter fallen der Bund und die Länder sowie bestimmte Sondervermögen des Bundes (z.B. Bundeseisenbahnvermögen, Erblastentilgungsfonds und Finanzmarktstabilisierungsfonds), früher auch Deutsche Bundesbahn und Deutsche Bundespost.
Rz. 660
Zu den Körperschaften des öffentlichen Rechts gehören Gebietskörperschaften wie Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, Personalkörperschaften wie wissenschaftliche Hochschulen und berufsständische Kammern (z.B. Rechtsanwalts- und Notarkammern, Handwerks-, Ärzte- und Apothekerkammern), Kranken-, Renten- und Unfallversicherungsträger (z.B. Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Unfallkassen des Bundes und der Länder, Deutsche Rentenversicherung und Versorgungswerke), Realkörperschaften (z.B. Wasser- und Bodenverbände oder Jagdgenossenschaften), Betriebskörperschaften (z.B. Industrie- und Handelskammern), Verbandskörperschaften (z.B. kommunale Zweck- und Gemeindeverbände, Bundesrechtsanwaltskammer und Bundesverbände der Kranken- und Sparkassen) sowie die Kirchen und Religionsgemeinschaften mit ihren selbstständigen Untergliederungen (z.B. Landeskirchen, Diözesen und Kirchenkreise).
Anstalten des öffentlichen Rechts sind organisatorisch selbstständige Institutionen, die einem festgelegten Zweck entsprechend bestimmte Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, wie Rundfunk- und Fernsehanstalten, Deutsche Bundesbank, Treuhandanstalt oder Bundesagentur für Arbeit. Stiftungen (vgl. § 80 BGB) des öffentlichen Rechts sind kraft öffentlichen Rechts errichtete Stiftungen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllen (z.B. Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Stiftung für ehemalige politische Häftlinge oder die Berliner Philharmoniker).
Rz. 661
All diesen Organisationstypen von juristischen Personen öffentlichen Rechts wird durch die §§ 89, 31 BGB das Handeln ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Bereich des privaten Rechtsverkehrs haftungsmäßig zugerechnet. Zum Begriff der verfassungsmäßig berufenen Vertreter vgl. oben Rdn 647 ff.
Beispiele hierfür sind:
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der Bürgermeister einer Gemeinde, |
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der städtische Baudezernent bzw. Stadtbaumeister, |
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der Oberschleusenmeister bei einer Wasserstraße erster Ordnung, |
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der Oberförster der Forstverwaltung und |
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der Pfarrer einer Kirchengemeinde; |
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im medizinischen Bereich der Chefarzt eines städtischen Krankenhauses ohne Vertretungsmacht, |
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der Direktor einer Universitätsklinik und |
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der Chefarzt einer organisatorisch unselbstständigen Klinik, sofern er im medizinischen Bereich weisungsfrei arbeitet. Für den selbst liquidierenden Chefarzt im Rahmen eines sog. gespaltenen Arzt-Krankenhaus-Vertrags und dessen Behandlungsfehler hat das öffentlich-rechtliche Krankenhaus hingegen nicht einzustehen. |
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Auch der Oberstudiendirektor eines Städtischen Gymnasiums bezüglich des Schulgebäudes und der OLG-Präsident hinsichtlich des Gerichtsgebäudes gelten als verfassungsmäßig berufene Vertreter. |
Rz. 662
Maßgebend ist die Art und Weise, in der gehandelt wird. Wird die öffentlich-rechtliche Körperschaft hoheitlich tätig, haftet sie gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG für das schadensträchtige fehlerhafte Handeln ihrer Amtsträger, deren persönliche Haftung durch Art. 34 GG ausgeschlossen ist. Bei privatrechtlichem Handeln haftet die öffentlich-rechtliche Körperschaft hingegen aus den §§ 89, 31 BGB nach Maßgabe der in Rede stehenden Anspruchsgrundlage, insbesondere also aus Verschulden bei Vertragsschluss, positiver Vertragsverletzung und unerlaubter Handlung. Zur Beurteilung der Frage nach der Rechtsform des Handelns der juristischen Person des öffentlichen Rechts ist darauf abzustellen, in welcher Form die juristische Person des öffentlichen Rechts tätig und wie die jeweilige öffentliche Aufgabe – etwa die Verkehrssicherungspflicht – organisiert wurde.
Rz. 663
§ 89 Abs. 2 BGB erklärt § 42 Abs. 2 BGB für anwendbar, soweit das Insolvenzverfahren zulässig ist. Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist gering, da nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bundes und der Länder unzulässig ist; ferner über das Vermögen einer – unter Landesaufsicht stehenden – juristischen Person des öffentlichen Rechts, wenn Landesrecht dies bestimmt. Dementsprechend haben alle Bundesländer die Insolvenzfähigkeit der Gemeinden und Gemeindeverbände ausgeschlossen.