Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 836
§ 839 BGB: Haftung bei Amtspflichtverletzung
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amtes findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Art. 34 GG
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
I. Grundlagen
Rz. 837
Da es an einer Kodifikation des Staatshaftungsrechts nach wie vor fehlt, ist und bleibt die Amtshaftung gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG die Domäne des Staatshaftungsrechts, in dem es im Kern darum geht, die Eigenverantwortung des Bürgers für die Entfaltung und Gestaltung seiner privaten und beruflichen Sphäre von der Verantwortung des Staates und seiner Gliederungen für Handlungen und Unterlassungen, die sich auf Immaterialgüterrechte, Eigentum und Vermögen des Einzelnen auswirken, abzugrenzen. Mit der am 14.8.1919 in Kraft getretenen Weimarer Reichsverfassung wurde die Haftung für Amtspflichtverletzungen "grundsätzlich" auf den Staat übergeleitet (Art. 131 WRV). Das vor 70 Jahren, am 23.5.1949, in Kraft getretene Grundgesetz hat mit Art. 34 GG diese Grundkonzeption übernommen und 30 Jahre nach dem Mauerfall hat sich daran, trotz der völligen Veränderung der Lebensverhältnisse, nichts geändert, sieht man davon ab, dass in einigen der "neuen" Bundesländer das Staatshaftungsgesetz der DDR mit den Maßgaben des Einigungsvertrages fortgilt.
Rz. 838
Der Wandel der Zeiten spiegelt sich auch in den Präambeln der Verfassungen wider. In der Präambel der Weimarer Verfassung heißt es: "Das deutsche Volk, einig in seinen Stämmen und von dem Willen beseelt, sein Reich in Freiheit und Gerechtigkeit zu erneuern und zu befestigen, dem inneren und dem äußeren Frieden zu dienen und den gesellschaftlichen Fortschritt zu fördern, hat sich diese Verfassung gegeben."; die Präambel des Grundgesetzes lautet: "Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat das deutsche Volk in den Ländern Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern, um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben, kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen. Es hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war. Das gesamte deutsche Volk wird aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden."
Die Eingangsformel zum Einigungsvertrag vom 31.8.1990 lautet wie folgt:
Zitat
"Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik – entschlossen, die Einheit Deutschlands in Frieden und Freiheit als gleichberechtigtes Glied der Völkergemeinschaft in freier Selbstbestimmung zu vollenden, ausgehend von dem Wunsch der Menschen in beiden Teilen Deutschlands, gemeinsam in Frieden und Freiheit in einem rechtsstaatlich geordneten, demokratischen und sozialen Bundesstaat zu leben, in dankbarem Respekt vor denen, die auf friedliche Weise der Freiheit zum Durchbruch verholfen haben, die an der Aufgabe der Herstellung der Einheit Deutschlands unbeirrt festgehalten haben und sie vollenden, im Bewusstsein der Kontinuität deutscher Geschichte und eingedenk der sich aus unserer Vergangenheit ergebenden besonderen Verantwortung für eine demokratische Entwicklung in Deutschland, die der Achtung der Menschenrechte und dem Frieden verpflichtet bleibt, in dem Bestreben, durch die Deutsche Einheit einen Beitrag zur Einigung Europas und zum Aufbau einer europäischen Friedensordnung zu leisten, in der Grenzen nicht mehr trennen und die allen europäischen Völkern ein vertrauensvolles Zusammenleben gewährleistet, in dem Bewusstsein, dass die Unverletzlichkeit der Grenzen und der territorialen Integrität und Souveränität aller Staaten in Europa in ihren Grenzen eine grundlegende...