Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 473
Angesichts zunehmender "Verkehrsdichte" auf, aber auch abseits der Skipisten drohen den Wintersportlern erhebliche Gefahren. Neben dem Skisport kommen immer neue Wintersportgeräte zum Einsatz. Auf diese sind die für Skifahrer geltenden Regelungen meist entsprechend anwendbar.
aa) Persönlicher Geltungsbereich der Verkehrssicherungspflicht
Rz. 474
Adressaten von Verkehrssicherungspflichten sind zunächst die Wintersportler selbst. Verhaltensregeln für Ski- und Snowboardfahrer enthalten die vom internationalen Skiverband (FIS) aufgestellten FIS-Regeln. Diese Regeln, mit denen die Rechtsprechung die Verkehrssicherungspflichten konkretisiert, enthalten Verhaltensvorschriften zur Gefahrvermeidung für andere Pistenbenutzer (vgl. Rdn 445 ff.) und für den Wintersportler selbst. Verstößt der Wintersportler gegen eine seinem Eigenschutz dienende FIS-Regel, trifft ihn i.d.R. ein Mitverschulden. Die FIS-Regeln richten sich nach ihrem Wortlaut nur an Ski- und Snowboardfahrer, gelten aber sinngemäß auch für Nutzer anderer zur Fortbewegung im Gelände geeigneter Wintersportgeräte, wie beispielsweise Snowtubes (aufblasbare Gummireifen) oder Snowbikes. Ein Wintersportler darf mit einem Snowtube oder einem anderen Sportgerät, das er nicht so steuern kann, dass er den Anforderungen der FIS-Regeln genügt, eine für andere Wintersportler geöffnete Piste nicht befahren. Er darf dann nur spezielle Abfahrtsstrecken benutzen, bei denen eine Gefährdung anderer durch entsprechende Regelungen und ggf. Absperrungen ausgeschlossen ist, wie dies etwa auf Snowtubing-Anlagen der Fall ist. Die FIS-Regeln sind für Abfahrten abseits der Pisten entsprechend anwendbar.
Rz. 475
Weiter trifft diejenigen, die für die Sicherheit von Pisten sowie von Liftanlagen verantwortlich sind, die Pistensicherungspflicht.
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Sicherungspflichtig ist, wer den Wintersportlern die Benutzung eines Berghanges als Piste ermöglicht oder zumindest erleichtert, insbesondere Bergbahn- und Liftbetreiber. Dies gilt entsprechend für die Eröffnung und Unterhaltung eines Rodelhangs. |
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Die Pistensicherungspflicht auf einer Skiabfahrtstrecke oder -piste kann neben dem Betreiber einer Bergbahn auch einem Fremdenverkehrsverband (oder einer ähnlichen Einrichtung) obliegen, wenn es dieser übernommen hat, die Strecke zu "unterhalten" und hierzu einen "Pistendienst" eingerichtet hat. |
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Auch der Eigentümer eines als Skiabfahrt benutzten Grundstücks kann verkehrssicherungspflichtig sein, wenn ihm diese Nutzung bekannt ist oder bekannt sein müsste. |
bb) Inhalt der Verkehrssicherungspflichten
Rz. 476
Sowohl auf Pisten als auch auf Skirouten und erst recht im freien Gelände verantwortet in erster Linie der Wintersportler selbst, welche Gefahren er bei der Abfahrt eingehen will und entsprechend seinen Fähigkeiten eingehen kann. Deshalb scheiden für die Pistensicherungspflicht nicht nur Gefahren aus, die dem Skisport typischerweise eigen sind (vgl. Rdn 445 f.), die der Skiläufer also "in Kauf nimmt", wie etwa Geländeschwierigkeiten durch eisige Stellen, Schwungbuckel und Mulden sowie schlechte Schneequalität, sondern auch die, die zwar ein für den Skisport lästiges Hindernis darstellen, für den Abfahrer aber rechtzeitig erkennbar sind und auf die er seine Fahrweise einstellen kann. Der Skifahrer muss seine Fahrweise den wechselnden Geländeverhältnissen, Schwierigkeiten der Wegführung, Veränderung der Wetterlage und der Schneebeschaffenheit anpassen.
Rz. 477
Auf Pisten, die für den Wintersport angelegt sind, bestehen Verkehrssicherungspflichten in Form der sogenannten Pistensicherungspflicht. Der Begriff der Piste ist nicht allgemein gültig definiert. Eine Definition enthält zwar § 1 Abs. 1 der bayerischen Verordnung über die Kennzeichnung der Skiabfahrten, Skiwanderwege und Rodelbahnen (SkiKennzV) und die DIN 32 912. Danach sind Abfahrten bzw. Skipisten allgemein zugängliche, zur Abfahrt mit Ski oder Skibob vorgesehene und geeignete Strecken, die gekennzeichnet, kontroll...