Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
1. Allgemeines
Rz. 154
Kausalität bezeichnet die Verknüpfung bzw. den Zusammenhang zwischen Schädigungshandlung, Rechtsgutverletzung und Schaden. Schadensersatz kann nur gefordert werden, wenn ein schadensträchtiges Verhalten eine Rechtsverletzung und einen darauf beruhenden Schaden verursacht hat. Notwendig sind zwei kausale Verbindungen zwischen dem Verhalten und der Rechtsgutverletzung: auf der ersten Stufe die sog. haftungsbegründende Kausalität und auf der zweiten Stufe die sog. schadensbegründende oder haftungsausfüllende Kausalität. Die haftungsbegründende Kausalität ist Tatbestandsmerkmal, die haftungsausfüllende Kausalität betrifft Umfang und Höhe des Schadens.
Rz. 155
Die Differenzierung zwischen den beiden Kausalbeziehungen hat große prozesspraktische Bedeutung. Unterschiedlich ist insbesondere das Beweismaß. Für die haftungsbegründende Kausalität gilt das strenge Beweismaß des § 286 ZPO. Für die haftungsausfüllende Kausalität gilt das weniger strenge Beweismaß des § 287 ZPO. Neben dem unterschiedlichen Beweismaß unterliegen beide Kausalbeziehungen zur Vermeidung einer uferlosen Haftpflicht des Schädigers einer wertenden Korrektur. Diese wird zu erreichen versucht durch Überlegungen zur Adäquanz, die allerdings heute in Entscheidungen kaum noch eine Rolle spielen, weil sich die Adäquanz meist formelhaft bejahen lässt. Wichtig sind der Schutzzweck der Norm bzw. der Zurechnungszusammenhang. Wegen der Einzelheiten wird auf die sogleich folgenden Rdn 159 ff. verwiesen.
2. Äquivalenz, Adäquanz
Rz. 156
Zunächst ist zu prüfen, ob das in Rede stehende und im naturwissenschaftlichen (oder auch philosophischen) Sinn eine Erfolgsbedingung darstellende Ereignis unter gleichbleibenden Umständen den in Rede stehenden Nachteil notwendig zur Folge hat (Äquivalenztheorie). Verkürzt werden kann die Frage dahin, ob das fragliche Ereignis conditio sine qua non ist, also nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der sich dann ergebende Zustand nicht mehr in die für die rechtliche Wertung in Betracht kommende Erfolgskategorie fällt oder ohne dass zumindest der konkrete Erfolg innerhalb dieser Kategorie in einer Weise verändert wird, die für die rechtliche Würdigung erheblich ist. Kausalität in diesem Sinn entfällt, wenn das Verhalten oder die Verletzung hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfällt. Dass der Schaden durch eine Handlung oder eine Unterlassung "möglicherweise" oder "vielleicht" verursacht wurde, reicht nicht aus, um einen Kausalzusammenhang festzustellen.
Rz. 157
Der Kreis der natürlichen Ursachen ist ersichtlich viel zu groß, um jede ihrer Folgen dem Verursachenden verantwortlich zur Last legen zu können. Naturwissenschaftlich betrachtet sind auch Eltern und Großeltern kausal für unerlaubte Handlungen ihrer Abkömmlinge. Die Rechtsprechung hat daher eine Begrenzung der Zurechnung durch den Begriff der adäquaten Verursachung versucht. Eine Begebenheit ist danach adäquate Bedingung eines Erfolgs, wenn sie die objektive Möglichkeit eines Erfolgs von der Art des eingetretenen generell in nicht unerheblicher Weise erhöht hat, wobei bei der dahin zielenden Würdigung lediglich alle zur Zeit des Eintritts der Begebenheit dem optimalen Beobachter erkennbaren Umstände und die dem Setzer der Bedingung noch darüber hinaus bekannten Umstände zu berücksichtigen sind; diese Prüfung soll unter Heranziehung des gesamten im Zeitpunkt der Beurteilung zur Verfügung stehenden Erfahrungswissens vorzunehmen sein. Nach einer gängigen Formulierung ist ein Ereignis für den Eintritt einer Folge dann adäquat kausal, wenn es im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen.
Rz. 158
Es liegt auf der Hand, dass das Adäquanzkriterium nur gänzlich unwahrscheinliche Kausalverläufe ausschließen kann. Deshalb wird heute im Wesentlichen mit den Zurechnungskriterien des Schutzzwecks der Norm und des Zurechnungszusammenhangs gearbeitet.
3. Schutzzweck
Rz. 159
Die Rechtsprechung begrenzt die Schadensersatzpflicht, indem nach dem Schutzzweck der Norm gefragt wird. Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang genügt nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten. Bei einer der...