Rz. 21

Im vorherigen Kapitel wurden einige mögliche Spurzeichnungen auf der Fahrbahn vorgestellt, die aus einem Unfallereignis herrühren können. Im Zuge der Unfallaufnahme gilt es nun, vor Ort diese Spuren zu sichern. Dies ist zum einen über eine Fotodokumentation möglich. Zum anderen kann die Spurenlage aber auch per Rolltacho direkt eingemessen werden, um daraus eine maßstabsgerechte Skizze zu entwickeln.

Auch bei der Aufnahme der Maße zur Skizzenerstellung gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Beispielhaft sei einmal das Foto aus einer großen deutschen Boulevardzeitung vorgestellt, das eine Unfallaufnahme von Polizeibeamten aus dem Raum Hannover zeigt (Abb. 2.21).

Abb. 2.21

Die aufnehmenden Polizeibeamten haben direkt die Fahrzeugpositionen und Maße auf dem Asphalt mit Straßenmarkierungskreide aufgezeichnet und diese fotografisch gesichert. Der Vorteil für die aufnehmenden Beamten besteht darin, dass keine zusätzliche Handskizze vor Ort angefertigt werden muss. Mit Hilfe der Maße aus den Fotos kann nun eine maßstäbliche Polizeiskizze erstellt werden. Diese Art der Unfallaufnahme stellt nicht den Regelfall dar. Im Normalfall werden die Maße in einer Vorabskizze vermerkt und dann zur weiteren Bearbeitung herangezogen.

 

Rz. 22

Es existiert jedoch eine Form der Unfallaufnahme, die an die o.g. sehr stark angelehnt ist, nämlich die Phidias-Dokumentation. Der Begriff "Phidias" bedeutet photogrammetrisches, interaktives, digitales Auswertesystem. Sie ist ein rechnerunterstütztes Tatortaufnahmesystem zur Vereinfachung der Herstellung maßstabsgerechter Skizzen durch fotografische Beweissicherung.

Benötigt wird hierfür eine Fotokamera, Markierungskreide, evtl. Leitkegel und ein Rolltacho oder aber ein Maßband. Das Prinzip beruht darauf, dass an der Unfallstelle nach einem bestimmten Schema Fotos gefertigt werden, die dann durch eine spezielle Software ausgewertet werden können. An der Unfallstelle wird mithilfe von Leitkegeln oder Markierungskreuzen ein festes Liniennetz auf die Straße gelegt.

 

In Abb. 2.22 sind seitlich am Fahrbahnrand schwarz-weiße Leitkegel zu erkennen. Diese sind in einem definierten Abstand zueinander und immer gegenüberliegend aufgestellt. Es werden nun sowohl in Quer- als auch Längsrichtung die Abstände zu den einzelnen Leitkegeln ausgemessen. Weiterhin wird die Diagonale der Leitkegelpositionen eingemessen, so dass sich das Liniennetz der Abb. 2.23 ergibt.

Zuvor ist es noch wichtig, alle markanten Spuren mit Kreide auf der Fahrbahn zu markieren. Auch die Abstellpositionen der Fahrzeuge müssen gut erkennbar mit Kreide abgezeichnet werden, damit sie auf den Fotos, die meistens aus erhöhter Position gefertigt werden (über Hochstativ oder von einem Einsatzfahrzeug aus), gut zu erkennen sind.

Die Fotos werden dann rechnerunterstützt entzerrt, so dass die auf der Fahrbahn markierten Spuren mithilfe des Gitternetzes hinsichtlich ihrer Lage genau eingeordnet werden können.

Hierbei ist der Vorteil, dass sämtliche Spuren erfasst werden können, die sich im Bereich der Gitternetze befinden. Somit kann auch eine im Nachhinein übersehene Spur noch nachträglich während der Fotoauswertung in die Skizze mit aufgenommen werden.

Diese Art der Unfallaufnahme liefert recht genaue Ergebnisse. Zudem ist die Vermessung der Leitkegel deutlich schneller zu bewältigen, als das Vermessen jeder einzelnen Spur. Folglich ergibt sich für die aufnehmenden Polizeibeamten bei der Vermessung und anschließenden Skizzenerstellung eine enorme Zeitersparnis. Auch hier gilt, je detaillierter die Auswertung erfolgt, umso mehr Anknüpfungsparameter stehen dem Sachverständigen für die Rekonstruktion zur Verfügung.

 

Rz. 23

Die herkömmliche Dokumentation per Rolltacho ist aber auch ausreichend, um die Lage der Spuren zu bestimmen. Es muss nicht zwingend eine Phidias-Aufnahme erfolgen. Bei Nutzung des Rolltachos ist jedoch zu beachten, dass ein Bezugspunkt gewählt wird, der auch im Nachhinein nachvollziehbar ist. So sind hierfür z.B. ortsfeste Punkte wie Leit­­pfähle, Gullydeckel oder aber Laternen geeignet, die sich dann im Nachhinein auch für den im Gerichtsverfahren beauftragten Sachverständigen nachvollziehen lassen. Hierüber ist es schließlich möglich, die polizeiliche Skizze nachzuvollziehen und evtl. noch weitere Messdaten, die für die Auswertung notwendig sind, mit einzufügen.

Die Bestimmung der Maße mittels Rolltacho ist jedoch recht aufwendig, da jedes einzelne Maß für jede einzelne Spur mit dem Rolltacho abgefahren werden muss. Dies stellt einen zeitlich recht großen Aufwand dar.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?