Rz. 277

Eine besondere Stellung nehmen die verwandten Schutzrechte ausübender Künstler ein. Gegenstand des Rechtsschutzes der ausübenden Künstler gem. § 73 UrhG ist die Darbietung (zur Abgrenzung gegenüber der Bearbeitung siehe Rdn 229) von Werken oder die künstlerische Mitwirkung bei ihrer Darbietung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um geschützte oder ungeschützte Werke nach dem Urheberrechtsgesetz handelt. Zeitweilig war überlegt worden, diesen Leistungsschutz auch auf Artisten und Sportler zu erweitern. Davon wurde jedoch abgesehen.[436] In der Neufassung des § 73 UrhG wird neben dem Werk auch auf eine Ausdrucksform der Volkskunst Bezug genommen, was eine inhaltliche Erweiterung darstellt.[437]

 

Rz. 278

Die Anforderungen an die Gestaltungshöhe gem. § 2 Abs. 2 UrhG können nach h.M. nicht verlangt werden.[438] Allerdings muss das Werk darauf angelegt sein, dargeboten zu werden, wie dies durch künstlerische Interpretation eines Sprachwerkes erfolgen kann. An einer solchen Darbietung wirkt mit, wer auf die künstlerische Werkwiedergabe einen bestimmten Einfluss nimmt. Dazu gehört insbesondere der Regisseur.[439] Lediglich nicht künstlerische (vorgelagerte) Tätigkeiten sind dagegen ausgenommen, etwa die eines Tonmeisters, der zur Erzielung eines guten Klangbildes die Mikrofone sinnvoll anordnet.[440]

 

Rz. 279

Die Rechte der ausübenden Künstler wurden in der Neufassung des § 73 UrhG vom 10.9.2003[441] durch die Harmonisierungsrichtlinie vom 22.5.2001 grundlegend erweitert. Unter Berücksichtigung des Art. 5 WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) wird dem ausübenden Künstler das Recht eingeräumt, in Bezug auf seine Darbietung als solcher anerkannt zu werden. Er kann dabei bestimmen, ob und mit welchem Namen er genannt wird. Im Fall einer gemeinsamen Ausübung besteht im Fall eines ansonsten unverhältnismäßigen Aufwands nur das Recht auf Benennung als Künstlergruppe. Unberührt bleibt das Recht auf persönliche Benennung bei einem besonderen Interesse (§ 74 UrhG).

 

Rz. 280

Der ausübende Künstler hat zudem das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seiner Darbietung zu verbieten, die geeignet ist, sein Ansehen oder seinen Ruf als ausübenden Künstler zu gefährden. Haben mehrere ausübende Künstler gemeinsam eine Darbietung erbracht, so haben sie bei der Ausübung des Rechts aufeinander angemessene Rücksicht zu nehmen (§ 75 UrhG, § 83 UrhG a.F.).[442] § 76 UrhG regelt, dass die fünfzigjährige Schutzfrist der in §§ 74 und 75 UrhG genannten Rechte mit dem Tode des ausübenden Künstlers zu laufen beginnt. Dieser Fristbeginn verschiebt sich, wenn die erste Darbietung nach dem Tode erfolgt, auf diesen Zeitpunkt.[443]

 

Rz. 281

Die Prüfung des § 75 UrhG erfolgt entsprechend § 14 UrhG[444] nach drei Stufen, also durch Feststellung

der objektiven Beeinträchtigung (1. Stufe),
der Eignung zur Gefährdung des künstlerischen Rufes oder Ansehens (2. Stufe) und
der Abwägung der unterschiedlichen Interessen des ausübenden Künstlers gegenüber denen der Veranstalter/Intendanten, Produzenten etc. (3. Stufe).
 

Rz. 282

 

Beispiele

Der Intendant Christoph Albrecht und der Regisseur Peter Konwitschny (ausübender Künstler) hatten eine Neuinszenierung des Werks von Emmerich Kalman "Die Csardasfürstin" zur Aufführung an die Dresdner Semperoper gebracht. Dabei hatte Konwitschny die Handlung der Operette in die Schützengrüben des Ersten Weltkriegs verlegt. Nach einem Skandal bei der Premiere im Dezember 1999 strich der Intendant einige besonders umstrittene Szenen gegen den Willen des Regisseurs, woraufhin Konwitschny unter Berufung u.a. auf § 75 UrhG vor dem LG Leipzig eine einstweilige Verfügung gegen die Änderungen erwirkte, die durch das OLG Dresden bestätigt wurde.[445] Ein Vergleich, wonach beide "Fassungen" der "Csardasfürstin" abwechselnd gespielt werden sollten, war zunächst gescheitert. Schließlich einigte man sich darauf, in der Saison 2000/2001 zwei Versionen aufzuführen.

Besonderheit dieses Falles ist, dass die eigentliche künstlerische Leistung, also die des Bühnenregisseurs, der Darbietung vorausging und erst im Nachhinein, nämlich nach der Premiere, ein Eingriff durch den Intendanten vorgenommen wurde. Es genügt nicht, in solch einem Fall die Entstellung vorzutragen, sondern diese muss auch zur Eignung der Gefährdung des Ansehens oder des Rufes des Regisseurs (als ausübender Künstler) führen, was grds. durch das objektive Vorliegen einer Beeinträchtigung indiziert ist.[446]

Im Februar 2015 hat der Rechtsstreit zwischen den Brecht-Erben, vertreten durch den Suhrkamp Verlag, und dem Münchener Residenztheater wegen dessen "Baal"-Inszenierung von Brecht durch den Regisseur Frank Castorf für Schlagzeilen gesorgt. Zunächst hatte der Suhrkamp Verlag im Wege der einstweiligen Verfügung die Aufführung dieses Stückes verboten, weil Castorf dem Brecht-Text zahlreiche Fremdtexte hinzufügte. Nach Auffassung der Erben von Bertold Brecht handelte es sich dabei um eine "nicht autorisierte Bearbeitung des Stückes". Nac...

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