Rz. 77

Besondere Ausprägung dieser in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG geschützten Werkkategorie ist die Verwendung von Tönen als Ausdruckmittel.[93] Dabei ist jede Art von Musik unabhängig davon schutzfähig, wie sie im Einzelnen fixiert wurde (früher in der Regel auf Noten, heute eher auf elektromagnetischen Bändern und sonstigen Datenträgern).

 

Rz. 78

Vom Umfang her ist auch lediglich eine geringe Folge von Tönen schon schutzfähig, wobei allerdings der Melodie eine besondere Bedeutung im Hinblick auf den Nachahmungsschutz (gem. § 23 Abs. 1 UrhG) zukommt. Eine Melodie ist eine in sich geschlossene geordnete Tonfolge, die dem Werk eine individuelle Prägung verleiht.[94] Besondere Bedeutung kommt der "wandernden Melodie" zu, die von Komponisten immer wieder aufgegriffen werden und von daher nicht schutzfähig sind.[95]

 

Rz. 79

Ein weiteres Schlagwort ist das der Entwurfsmusik,[96] bei der dem Dirigenten und den Musikern weitgehend freie Hand in der Wahl der Tonlage, der Auswahl der Instrumente, der Rhythmik und auch der Melodik gegeben ist. Nach überwiegender Meinung spricht die Anforderung an den Werkbegriff nicht gegen den urheberrechtlichen Werkschutz von Improvisationen.

 

Rz. 80

In den vergangenen Jahren wurde immer wieder die Frage diskutiert, ob neuere technische Möglichkeiten zur Erstellung insbesondere von Popmusikproduktionen noch auf die gesetzlichen Anforderungen an den urheberrechtlichen Werkbegriff anzuwenden sind vor allem wegen der mangelnden Gestaltungshöhe. Köhnen[97] stellt den Werkcharakter dieses Musikgenres insgesamt infrage und verlangt stattdessen einen neuen Leistungsschutz für die "kleine Münze der Musik". Dieser Befund wird zu Recht von Schwenzer[98] in Abrede gestellt. Zunächst muss man sich vor Augen halten, dass die in § 2 Abs. 1 UrhG aufgezählten Werkarten im Hinblick auf das Kriterium der Gestaltungshöhe durchaus unterschiedliche Anforderungen stellen. Sicherlich müssen die gesetzlich in § 2 Abs. 2 UrhG zum Ausdruck kommenden Anforderungen, namentlich an die individuelle geistige Schöpfung, quasi als kleinster gemeinsamer Nenner, erfüllt werden. Dennoch können im Hinblick auf das gesamte Rechtssystem die Anforderungen an die einzelnen Werkarten durchaus unterschiedlich ausfallen. Für die im § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG aufgeführten Computerprogramme geht aus dem ergänzend heranzuziehenden § 69a Abs. 3 S. 1 UrhG hervor, dass zwar die Individualität des Programms, nicht aber die persönliche geistige Leistung in dem bisher verstandenen Sinne maßgeblich sein soll, es mithin um den "Schutz der einfachen persönlichen Schöpfung" geht.[99] Des Weiteren ist zu bedenken, dass die Anforderungen an den Schöpfungsgrad ursprünglich allein für den Bereich der angewandten Kunst dienstbar gemacht wurden, also der graduellen Abgrenzung vom Geschmacksmuster- und Urheberschutz dienten.[100]

 

Rz. 81

Ferner muss man sich dem Werkelement der Musik selbst zuwenden. Dem Schutzbereich unterliegt schon das Motiv "als das kleinste Glied, der kürzeste musikalische Gedanke einer Komposition, der aus mindestens einem charakteristischen Ton oder Geräusch besteht".[101] Weiter sind zu nennen der Rhythmus, Harmonik, die Struktur des Werkaufbaus, die Instrumentation, die Klangfarbencharakteristik und die Charakteristik der Begleitfiguren.[102]

 

Rz. 82

 

Beispiel

In einer viel beachteten Entscheidung hat sich der BGH[103] mit dem Sampling zweier Takte einer Rhythmussequenz (Hammergeräusch) einer Tonträgeraufnahme des Titels "Metall auf Metall" der Band "Kraftwerk" befasst. Diese wurde von der Sängerin Sabrina Setlur auf deren Aufnahme des Titels "Nur mir" übernommen. Der BGH gestand den Klägern die geltend gemachten Ansprüche, u.a. auf Unterlassung, zu. Zwar wurden diese aus dem Tonträgerrecht des § 85 Abs. 1 S. 1 UrhG hergeleitet, gleichwohl spielte das Werkurheberrecht des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG (Werke der Musik), auf die sich die Kläger hilfsweise beriefen, eine wichtige Rolle. Fraglich war nämlich, ob § 24 Abs. 1 UrhG über die sog. "freie Benutzung" – als Antipode zu den Werken der Musik – Anwendung findet, denn hierauf haben sich die Beklagten berufen. Das ist auch verständlich, da die "Entnahme" einer solch kurzen Sequenz – wie hier – im Verhältnis zu dem neu geschaffenen Werk sicherlich nur eine untergeordnete Rolle spielte. Der BGH hatte nun zu entscheiden, ob in Bezug auf das Tonträgerrecht des § 85 UrhG der § 24 Abs. 1 UrhG in analoger Weise Anwendung findet. Dies hat das Gericht zwar grds. bejaht, gleichwohl eine Grenze in der Weise gezogen, dass "ein durchschnittlich ausgestatteter und befähigter Musikproduzent" diese Geräusche selbst erstellen kann. Wenn der Produzent in solch einem Fall die fremde Produktion – hier das in analoger Weise kreierte Geräusch auf der mehr als 20 Jahre alten Platte – übernimmt, so ist die Grenze der "freien Nutzung" überschritten. Es kommt dann das ausschließliche Recht des Urhebers zum Tragen.

Zur Grenze der freien Benutzung heißt es wörtlich (Rn 23):

Zitat

"Bei der danach vorzunehmenden Interessenabwägun...

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