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Die Bedeutung des Werkstücks soll schließlich noch in einem gänzlich anderen Bereich, nämlich dem der Hochschulen, verdeutlicht werden. Anlass dieser Fragestellung ist eine Entscheidung des BGH, bei der es um die Klage der Erben eines verstorbenen Professors der Universität Heidelberg geht. Die Kläger verlangten von der Universität die Herausgabe der hinterlassenen Arbeitsmaterialien und Unterlagen betreffend archäologischer Projekte und Grabungen. Im Einzelnen ging es um Grabungsbeschreibungen und -pläne, Aufstellungen, Manuskripte, Korrespondenzen, die der Verstorbene von 1958 bis 1978 an der Universität Heidelberg, zuvor an anderen Hochschulen betrieben hatte. Das Gericht hatte hier den Interessengegensatz zwischen materiellem Urheberrecht einerseits, also der Frage, wem die Ergebnisse des geistigen Schaffens zustehen, andererseits aber die Frage nach dem Eigentumsrecht, eben an den Arbeitspapieren des Professors und sonstiger Materialien, zu klären. Anspruchsgrundlage der Erben ist der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB. Zunächst sprach der BGH den erwähnten Unterlagen Urheberrechtsqualität gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1, 5 UrhG zu, da in ihnen die suchende, sichtende und auswählende Forschungstätigkeit des Professors als Archäologen im Sinne einer eigenen schöpferischen Leistung Niederschlag gefunden habe. Weiter wurde auch klargestellt, dass das Urheberrecht gem. § 7 UrhG nach dem Schöpferprinzip nicht der Universität, sondern dem Professor als Schöpfer zusteht. Der Herausgabeanspruch könne jedoch nur bejaht werden, wenn der Professor nicht nur als Urheber, sondern auch als Eigentümer der erwähnten Materialien anzusehen sei. Voraussetzung dafür ist die Bejahung der Herstellereigenschaft des Verstorbenen. Der BGH führt hierzu aus, dass die in Rede stehenden Unterlagen als freie und eigenverantwortliche wissenschaftliche Leistung das Merkmal der Herstellung erfüllten, jedenfalls nicht der Hochschule zuzuordnen seien. Dann aber wird der Universität gegenüber dem hier klagenden Erben ein Besitzrecht gem. § 986 Abs. 1 BGB zugestanden. Die Universität habe ein dauerndes und unentgeltliches Besitzrecht an den Unterlagen, sodass sie diese auch nicht mehr herauszugeben brauche. Darüber hinaus wird den Erben sogar die Verpflichtung auferlegt, urheberrechtliche Nutzungsrechte in zweckentsprechendem Umfang einzuräumen. Die hierbei zum Ausdruck kommende Wertung zum Nachteil des Urhebers bzw. der Erben wird von Schricker zu Recht kritisiert. Es ist allerdings schon erstaunlich, dass trotz der Zuweisung von Urheberrecht und Eigentum an den Werkstücken, der Universität als Dienstherren ein das Eigentum und Urheberrecht hinderndes Besitz- und Nutzungsrecht zugewiesen wird. Zwar bringt § 43 UrhG zum Ausdruck, dass die im Rahmen des Dienstverhältnisses geschaffenen Werke (Entsprechendes gilt auch für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse) dem Dienst- oder Arbeitsherren durch Einräumung von Nutzungsrechten zugewiesen sind. Dieser Grundsatz kann aber gerade nicht im Hochschulbereich, der vom Prinzip der Freiheit von Forschung und Lehre gem. Art. 5 Abs. 3 GG bestimmt ist, gelten. Diese Entscheidung – so umstritten sie sein mag – zeigt jedenfalls eine besondere Ausprägung der Abgrenzung zwischen urheberrechtlichem Werkbegriff und den dem Bereich des Dinglichen zuzuordnenden medialen Grundlagen, also hier den Arbeitspapieren des Professors als dessen Werkstücken.