Rz. 104
Geschützt sind weiter Lichtbildwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG). Nach Art. 6 EG-Richtlinie zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts vom 29.10.1993 sind Fotografien als individuelle Werke geschützt, wenn sie "das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind". Andere Kriterien sind zur Bestimmung der Schutzfähigkeit nicht anzuwenden. Demnach gelten seit dem 1.7.1995 (Umsetzungsfrist der Richtlinie) bei Lichtwerken allgemein geringere Anforderungen an die Schutzfähigkeit ("kleine Münze"). Es bedarf jedenfalls keines besonderen Maßes an die schöpferische Gestaltung. Die genannte Entscheidung bezog sich auf Portraitfotos für Werbeanzeigen.
Rz. 105
Hinweis
Selbst wenn im Einzelfall die für Lichtbildwerke erforderliche Individualität nicht erreicht werden sollte, sind die Fotos in der Regel als Lichtbilder (§ 72 UrhG) erfasst. Bei der zuletzt genannten Norm handelt es sich um den leistungsschutzrechtlichen Unterbau zum Schutz der Lichtbildwerke. Einzige Anforderung ist ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung.
Rz. 106
Die vom BGH geforderte nötige Gestaltungshöhe kann durch die Wahl des Motivs, Licht- und Schattengebung, Retuschierungen, Fotomontagen oder andere künstlerische Gestaltungsmittel erreicht werden. Fehlt es daran, so kommt allenfalls der Leistungsschutz für Lichtbilder gem. § 72 UrhG zum Tragen. Der Schutzumfang ist insofern unterschiedlich, als dieser bei bloßen Lichtbildern, die "keine eigentypische Prägung aufweisen …, auf die konkrete Aufnahme als körperlicher Gegenstand" beschränkt ist. Das Leistungsschutzrecht ist bei Lichtbildern nur auf das Verbot der Vervielfältigung dieser konkreten Aufnahme bezogen, schützt also nur vor identischer oder nahezu identischer Nachbildung, wohingegen der Urheberrechtsschutz für Lichtbildwerke gerade nicht werkstückbezogen ist. Voraussetzung in technischer Hinsicht für das Vorliegen eines Lichtbildwerkes ist, dass dieses durch Einwirkung von Licht-, Infrarot- und sonstiger hochfrequenter elektromagnetischer Strahlungen auf fotochemische Schichten (Fotografie) oder durch sonstige Verfahren "unter Benutzung strahlender Energie" (fotografieähnliche Verfahren) erzeugt wurde. Auf das Herstellungsverfahren kommt es nicht an, weshalb auch elektronisch aufgezeichnete Bilder die geschilderten Voraussetzungen erfüllen. Im Hinblick auf die Abbildfunktion verlangt der BGH, und dies gilt auch für den Leistungsschutz der Bilder gem. § 72 UrhG, dass ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung nachzuweisen ist, weshalb bloße Kopien oder Reproduktionen auszunehmen sind. Im Falle der Verfremdung eines Lichtbildwerkes kann es dadurch den rechtlichen Charakter als Lichtbild verlieren und z.B. ein Werk der bildenden Kunst werden, etwa bei übermalten Fotografien, wenn die fotografischen Vorlagen in dem Gesamterzeugnis nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Reuter legt überzeugend dar, dass diese Grundsätze gleichermaßen auch gelten müssen bei einem elektronisch verfremdeten Lichtbildwerk, wenn also ein Foto digitalisiert und verändert wird, da dem Enderzeugnis dann zwei der Charakteristika eines Lichtbildwerkes fehlten, nämlich es ist nicht unter Benutzung strahlender Energie entstanden und kein bloßes Abbild mehr.
Rz. 107
Beispiel
Aufschlussreich ist die Entscheidung des OLG Düsseldorf, das die Frage zu entscheiden hatte, wann Fotografien von Werken der bildenden Kunst Lichtbildwerke darstellen. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass auch Fotografien – in dem zu entscheidenden Fall von Werken des Künstlers Joseph Beuys – selbst die Anforderungen an ein Lichtbildwerk erfüllen können. Es müsse aber ein ausreichender künstlerischer Gestaltungsspielraum bleiben, der hier der Fotografin für die Abbildung räumlicher Kunstobjekte zugestanden wurde. Es heißt dann wörtlich:
Zitat
"Demgegenüber besteht bei der Abbildung räumlicher Kunstobjekte ein wesentlich größerer Gestaltungsspielraum, dessen Ausnutzung es erlaubt, den entsprechenden Fotografien der Klägerin schon den Rang von Lichtbildwerken beizumessen. Der Eindruck, den die abgebildeten Kunstwerke hervorrufen, hängt wesentlich davon ab, von welchem Standpunkt aus und bei welcher Beleuchtung sie aufgenommen worden sind. Auch besteht bei der Aufnahme derartiger Objekte ein größerer Gestaltungsspielraum hinsichtlich Auswahl des Filmmaterials und des Fotopapiers, der Belichtung und Entwicklung als bei der Fotografie von Zeichnungen; es kann nicht mehr die Rede davon sein, dass es nur ein einziges "handwerksmäßig richtiges" Filmmaterial, Fotopapier und eine allein richtige Belichtung gäbe …"
Dieses Zitat macht anschaulich, welche konkreten Anforderungen die Rechtsprechung an das Merkmal der Individualität zur Erfüllung des Werkbegriffes für Lichtbildwerke stellt.
Rz. 108
§ 68 UrhG regelt nunmehr in Umsetzung des Art. 14 DSM-RL, dass kein Leistungsschutz (insbesondere auch kein Lichtbildschutz gem. § 72 UrhG) an Reproduktionen gemeinfreier vi...