Rz. 499
Neben dem allgemeinen (unselbstständigen) Auskunftsanspruch (und dem auf Rechnungslegung) als Hilfsanspruch, etwa zur Durchsetzung einer Unterlassung oder eines Schadensersatzes, der gem. § 242 BGB allgemein anerkannt ist, gibt es noch einen selbstständigen Auskunftsanspruch hinsichtlich Dritter gem. § 101 UrhG.
Rz. 500
Bei einer Urheberrechtsverletzung oder Verletzung eines verwandten Schutzrechts im gewerblichen Ausmaß besteht Anspruch auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke oder sonstige Erzeugnisse (Abs. 1). Das gewerbliche Ausmaß kann sich sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben (Abs. 1 S. 2).
Rz. 501
Dazu regelt Abs. 2 dieser Norm (Hervorhebungen durch den Verfasser):
Zitat
In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Abs. 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
1. |
rechtsverletzende Vervielfältigungsstücke in ihrem Besitz hatte, |
2. |
rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm, |
3. |
für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder |
4. |
nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Vervielfältigungsstücke, sonstigen Erzeugnisse oder Dienstleistungen beteiligt war, |
es sein denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 der Zivilprozessordnung im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt. Im Fall der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs nach Satz 1 kann das Gericht den gegen den Verletzer anhängigen Rechtsstreit auf Antrag bis zur Erledigung des wegen des Auskunftsanspruchs geführten Rechtsstreits aussetzen. Der zur Auskunft Verpflichtete kann von dem Verletzten den Ersatz der für die Auskunft erforderlichen Aufwendungen verlangen.
Zum Begriff des gewerblichen Ausmaßes führt der BGH aus:
Zitat
[Rn 12] "Der Begriff "in gewerblichem Ausmaß" in § 101 Abs. Abs. 2 S. 1 UrhG bezieht sich nicht auf das am Anfang dieses Satzes stehende Wort "Rechtsverletzung", sondern auf den – bei Nr. 3 dieses Satzes – verwendeten Begriff des Erbringens von Dienstleistungen. Die Formulierung des § 101 Abs. 2 S. 1 UrhG "in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat," und der Begriff "rechtsverletzende Tätigkeiten" in § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG verweisen zur Bestimmung der Art der Rechtsverletzung ersichtlich auf § 101 Abs. 1 S. 1 UrhG, dem zu entnehmen ist, dass damit eine Verletzung des Urheberrechts oder eines anderen nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts gemeint ist. Der Begriff der Rechtsverletzung im Sinne des § 101 UrhG umfasst dagegen nicht allein Rechtsverletzungen in gewerblichem Ausmaß. Das ergibt sich bereits daraus, dass sich das gewerbliche Ausmaß nach § 101 Abs. 1 S. 2 UrhG sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben kann und demnach nicht jede Rechtsverletzung zugleich eine solche in gewerblichem Ausmaß ist."
Es werden also keine hohen Anforderungen an dieses Merkmal gestellt, was der tatsächlichen Durchsetzung dieses Auskunftsanspruchs gegenüber Dritten dienen soll.
Rz. 502
Worüber Auskunft zu erteilen ist, kann Abs. 3 entnommen werden. Es sind Angaben zu machen, die den Hersteller, Lieferanten und andere Vorbesitzer idengifizierbar machen (Nr. 1), sowie über die Menge etc. der Vervielfältigungsstücke (Nr. 2).
Rz. 503
Abs. 4 schreibt die Verhältnismäßigkeitsprüfung vor.
Rz. 504
Einen neuen Haftungstatbestand für vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Auskunft begründen Abs. 5 und 6.
Rz. 505
Abs. 7 regelt die Möglichkeit, in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung im Wege der einstweiligen Verfügung Auskunft zu erhalten. Abs. 8 spricht ein strafrechtliches Verwertungsverbot hins. der Erkenntnisse wegen einer vor der Erteilung der Auskunft begangenen Tat aus.
Rz. 506
Da sich der Auskunftsanspruch auch gegen Internetprovider richtet, sieht § 101 Abs. 9 UrhG vor, dass vor Erteilung der Auskunft eine richterliche Anordnung erforderlich ist, sofern die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne von § 3 Nr. 30 TKG erteilt werden kann. Diese Regelung hat gerade in sog. Filesharing-Fällen erhebliche praktische Bedeutung, weil der Rechtsinhaber direkt, und nicht wie zuvor über den Umweg eines Strafantrags verbunden mit der Akteneinsichtnahme bei der Staatsanwaltschaft, den Verletzer ermitteln kann.