I. Recht am geistigen Schaffen
Rz. 1
Der Urheberschutz ist kein Selbstzweck, er bedarf daher einer "Rechtfertigung" im Sinne einer hinter diesem Gesetz stehenden Idee, die Delp mit dem auf den Urheber bezogenen Recht am geistigen Schaffen umschreibt. Durch die Anerkennung eines Schutzbedürfnisses an diesem geistigen Schaffen rechtfertigt sich die Zuerkennung eines besonderen Monopolrechts an der geistigen Schöpfung als einem Immaterialgut. Da aber das Urheberrechtsgesetz nicht die Idee als solche schützt, sondern nur deren medialen Äußerungen, sind diesem Monopolisierungsgedanken von vornherein Grenzen gesetzt, die sich durch den Ausgleich unterschiedlicher Interessen artikulieren. Dieser Ansatz soll zunächst vertieft werden, um daraus dann eine auch im weiteren Verlauf der Darstellung gültige Systematik zu entwickeln. Wenn an dem Ergebnis des geistigen Schaffens, an ihrer Verwertung und Benutzung zahlreiche Personen interessiert sind, bedarf es zunächst der Analyse der Interessenlage.
Rz. 2
Rehbinder hat daraus einen "Fragenkatalog" wie folgt entwickelt, der hier aufgegriffen wird.
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Zunächst ist zu klären, ob und inwieweit die schöpferische Persönlichkeit selbst eines Schutzes bedarf, |
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ferner, wie der Schutz des Ergebnisses des geistigen Schaffens im Einzelnen auszugestalten ist |
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und schließlich, wie dieser Schutz gegenüber anderen berechtigten Interessen, also gegenüber der Medienwirtschaft und den Rezipienten, abgegrenzt werden kann. |
II. Interessenlage
1. Urheber und Werk
Rz. 3
Primär sind die Interessen des Urhebers darzulegen. Dietz hat sich wiederholt mit der Person des Urhebers als "nicht unangefochtene Zentralfigur des Urheberrechtssystems" befasst und dessen Schutzbedürfnis herausgestellt. Er sieht den Urheber als Zentralfigur des Urheberrechtsschutzes und verlangt im Hinblick auf die Entwicklung des Urheberrechts zum Recht der Kulturwirtschaft einen "gerechten Ausgleich zwischen Schöpfer und Verwerter herzustellen". Das Recht der wirtschaftlichen Verwertung wird als eine Ausprägung auch im Hinblick auf Art. 14 GG besonders hervorgehoben und allgemein die "Vermarktung" durch die Kultur- und Medienindustrie kritisiert. Wörtlich heißt es dort:
Zitat
"Den neuen Roman des Erfolgsautors wollen diese "Medienkonzerne" demgemäß nicht nur als Buch unter die Leute bringen, sondern auch verfilmen, den Film wollen sie in Kinos, in ihren eigenen Fernsehsendern und auf Kassette auswerten. Wenn das Werk ein Erfolg wird, soll es auch im konzerneigenen Radio und auf Platte gelesen und für die Bühne dramatisiert werden, vielleicht gar als Libretto für eine Oper dienen; diese letztere Auswertung übernimmt dann ein zur Gruppe gehörender Bühnenverlag. Dass das Werk in fremde Sprachen übersetzt und diese Übersetzungen in gleicher Weise von den im Ausland tätigen Konzernfirmen verwertet werden, versteht sich von selbst."
Rz. 4
In ähnlicher Weise argumentiert auch Wandtke, weshalb auch hier auf die besonderen Auswirkungen der Kommerzialisierung in § 1 Rdn 27 hingewiesen wurde.
Rz. 5
Diesem Ansatz wird zunächst gefolgt. Die immer wieder aufgeführte "schwache Position" bedarf allerdings der genaueren Betrachtung. Abgesehen davon, dass die wirtschaftliche Verwertung des Urheberrechts nicht der einzige Ansatzpunkt ist, daneben der im kontinental-europäischen Urheberrechtssystem besonders ausgeprägte Urheberpersönlichkeitsschutz tritt, kann nicht ohne weiteres ein Schutzbedürfnis konstatiert werden.
Rz. 6
Stellt man tatsächlich das urheberrechtliche Werk in den Mittelpunkt, so ist dessen "Wert" die eigentliche Bezugsgröße. Hier setzt die Kritik gegenüber den von Dietz zugrunde liegenden Überlegungen zum "Urheberstatus" an, denn es wäre ja kaum nachvollziehbar, die Position des Urhebers zu den Medienkonzernen ohne Berücksichtigung des Werkes in Beziehung zu setzen. Es geht nicht darum, etwa das Vermögen des Urhebers an sich, sondern nur den Teil zu betrachten, der sich als "Arbeitsleistung" manifestiert. Zudem ist auch nicht der Verbraucherschutz Gegenstand der Betrachtung, schon deshalb nicht, weil der Konzern nichts verkauft, sondern sich die Verwertungsrechte zu Nutze macht. So richtig es ist, dass der ganz überwiegende Teil der Urheber nicht von den Erträgen ihrer Arbeit leben kann, so falsch wäre es, allein aus diesem Befund ein besonderes Schutzbedürfnis für den Urheber herzuleiten. Wie der Begriff "Werk" schon deutlich zum Ausdruck bringt, geht es auch nicht darum, das Bemühen des Urhebers zu belohnen, sondern alleine das Ergebnis des Schaffensprozesses zu betrachten. Interessenausgleich setzt aber nun eine Bewertung der unterschiedlichen Positionen voraus, womit sich dann die Frage nach der Bewertung des urheberrech...