Rz. 395
Für Zwecke des Unterrichts und der Lehre dürfen privilegierte Einrichtungen, also frühkindliche Bildungseinrichtungen, Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung (§ 60a Abs. 4 UrhG) zu nicht kommerziellen Zwecken bis zu 15 % eines veröffentlichen Werkes vervielfältigen, verbreiten, öffentlich zugänglich machen und in sonstiger Weise öffentlich wiedergeben (§ 60a Abs. 1 UrhG).
Abbildungen, einzelne Beiträge aus derselben Fachzeitschrift oder wissenschaftlichen Zeitschrift, sonstige Werke geringen Umfangs und vergriffene Werke (besser: nicht verfügbare Werke) dürfen vollständig genutzt werden (§ 60a Abs. 2 UrhG). Mit Ausnahme der öffentlichen Zugänglichmachung ist diese Nutzung vergütungsfrei (§ 60h Abs. 2 Nr. 1 UrhG).
Die Berechtigten sind in § 60a Abs. 1 Nr. 1–3 UrhG wiedergegeben, und zwar Lehrende und Teilnehmer der jeweiligen Veranstaltung, Lehrende und Prüfer an derselben Bildungseinrichtung sowie Dritte, etwa Eltern, bei einer Schulveranstaltung. Auch hier ist die Nutzung der öffentlichen Wiedergabe für Angehörige von Bildungseinrichtungen und deren Familien nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 und 3 UrhG mit Ausnahme der öffentlichen Zugänglichmachung vergütungsfrei.
Rz. 396
Hinweis
Die öffentliche Zugänglichmachung ist bei solchen Veranstaltungen nicht ganz einfach nachzuvollziehen, da etwa Unterrichtsräume keine Öffentlichkeit herstellen. Unter diese Handlungsform würde allerdings ein offener Onlinekurs im Fernunterricht fallen.
Bei Vervielfältigung ist auch das Vervielfältigen lassen durch Dritte miterfasst.
Bereichsausnahmen folgen aus § 60a Abs. 3 UrhG und sind im Hinblick auf den Dreistufentest (Art. 5 Abs. 5 Harmonisierungsrichtlinie) geboten.
Rz. 397
Gem. § 60a Abs. 3 Nr. 1 UrhG sind die Vervielfältigung durch Aufnahme auf Bild- und Tonträger sowie die öffentliche Wiedergabe eines Werkes, während es öffentlich vorgetragen, aufgeführt oder vorgeführt wird, von der gesetzlichen Erlaubnis ausgenommen. Für Filme galt dies bisher schon gem. § 53 Abs. 7 UrhG. Zudem sind die Sperrfristen nach § 53 Abs. 2 Filmfördergesetz einzuhalten, woraus folgt, dass Bildungseinrichtungen erst sechs Monaten nach Ablauf der regulären Erstaufführung Zugang zu den Filmträgern (DVD etc.) haben. Auch das Livestreaming von Konzerten oder Lesungen ist zustimmungspflichtig.
Rz. 398
Die weiteren Ausnahmen sind durch die Urheberrechtsreform des Jahres 2021, die der Umsetzung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 DSM-RL dienen, neu gefasst worden. Verboten ist zunächst die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines Werkes, das ausschließlich für den Unterricht an Schulen geeignet, bestimmt und entsprechend gekennzeichnet ist (§ 60a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 UrhG).
Rz. 399
Des Weiteren fällt unter das Verbot die Vervielfältigung von grafischen Aufzeichnungen von Werken der Musik, soweit sie nicht für die öffentliche Zugänglichmachung gem. § 60a Abs. 1 oder 2 UrhG erforderlich ist. Neu ist aber nun der Vorbehalt in Satz 2 des § 60a Abs. 1 UrhG, der besagt, dass die zuvor beschriebenen Verbote nur zu beachten sind, wenn Lizenzen für diese Nutzungen leicht verfügbar und auffindbar sind und den Bedürfnissen und Besonderheiten von Bildungseinrichtungen entsprechen.
Hinweis
Ist für die Nutzung nicht leicht eine Lizenz zu erwerben, können der Lehrer bzw. die Schüler Noten in allen Formen nutzen. Macht der Rechtsinhaber Angebote zum Abschluss von Lizenzverträgen, dann ist die Lizenz allerdings "verfügbar".
Rz. 400
Neu (seit dem 7.6.2021) ist auch § 60a Abs. 3a UrhG, der nach dem Vorbild des § 20a Abs. 1 und 2 UrhG das Ursprungslandprinzip für das anwendbare Recht zur Geltung bringt. Bei einer grenzüberschreitenden Nutzung, etwa beim elektronischen Fernunterricht, enthält diese Norm die gesetzliche Fiktion, dass nur das Recht des Staats am Sitz der Einrichtung maßgeblich ist.
Hinweis
Allerdings gilt dies nicht für grenzüberschreitende Nutzungen mit Drittstaaten, etwa mit der Schweiz. Zudem muss die Nutzungshandlung über eine gesicherte elektronische Umgebung (etwa über einen Zugangscode) erfolgen.