Rz. 407
Für nicht kommerzielle Forschungszwecke ("wissenschaftliche Forschung") dürfen 15 % eines Werkes für einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen für deren eigene wissenschaftliche Forschung sowie für einzelne Dritte, soweit dies der Überprüfung der Qualität wissenschaftlicher Forschung dient (Peer Review-Verfahren), vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden (§ 60c Abs. 1 UrhG).
Die Begrenzung des Umfangs wird für die eigene wissenschaftliche Forschung auf 75 % des Werkes (bei Büchern der Gesamtumfang einschließlich der Verzeichnisse) erhöht (§ 60c Abs. 2 UrhG). In der Vorgängerregelung des § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UrhG a.F. gab es diese Grenze nicht. Allerdings musste die entsprechende Nutzungshandlung "geboten" sein, was nun nicht mehr verlangt wird.
Abbildungen, einzelne Beiträge aus derselben Fachzeitschrift oder wissenschaftlichen Zeitschrift, sonstige Werke von geringem Umfang oder vergriffene Werke dürfen vollständig genutzt werden (§ 60c Abs. 3 UrhG).
Rz. 408
Allerdings gibt es Bereichsausnahmen. Verboten sind Aufnahmen auf Bild- oder Tonträger während öffentlicher Vorträge, Aufführungen oder Vorführungen und die spätere öffentliche Zugänglichmachung eines solchen Werkes (§ 60c Abs. 4 UrhG).
Rz. 409
§ 60d UrhG regelt das Text und Data Mining zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung.
Nach der Neuregelung 2021, mit der die allgemeine Schrankenregelung des § 44b UrhG eingeführt wurde, nimmt § 60d Abs. 1 UrhG zunächst Bezug auf diese neue Norm und modifiziert diese für Forschungszwecke. Zunächst muss ein rechtmäßiger Zugang zum Ursprungsmaterial vorliegen, etwa der Zugang zu im Internet frei verfügbaren Inhalten oder aufgrund vertraglicher Grundlage. Zu denken ist auch an Abonnements durch Forschungsorganisationen.
Rz. 410
Zur Vervielfältigung des Ursprungsmaterials berechtigt sind Forschungsorganisationen, Forschungsinstitute oder sonstige Einrichtungen, die wissenschaftliche Forschung betreiben, wobei diese nicht-kommerzielle Zwecke verfolgen müssen, und sämtliche Gewinne (wenn diese entstehen) in die wissenschaftliche Forschung reinvestieren oder im Rahmen eines staatlich anerkannten Auftrags im öffentlichen Interesse tätig sind. Ausgenommen sind solche Forschungsorganisationen, die mit einem privaten Unternehmen zusammenarbeiten, die einen bestimmenden Einfluss auf die Forschungsorganisationen und einen bevorzugten Zugang zu den Ergebnissen haben (§ 60d Abs. 2 UrhG).
Berechtigt sind ferner Bibliotheken und Museen, sofern sie öffentlich zugänglich sind, Archive und Einrichtungen im Bereich des Film- und Tonerbes (Kulturerbe-Einrichtungen) sowie einzelne Forscher, sofern sie nicht kommerzielle Zwecke verfolgen (§ 60d Abs. 3 UrhG).
Die zuvor beschriebenen Einrichtungen dürfen Vervielfältigungen des Korpus einem bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen für deren gemeinsame wissenschaftliche Forschung oder einzelnen Forschern (die nicht kommerziell tätig sind) zugänglich machen. Sobald allerdings die gemeinsame wissenschaftliche Forschung oder die Überprüfung der Qualität wissenschaftlicher Forschung abgeschlossen ist, ist die öffentliche Zugänglichmachung zu beenden (§ 60d Abs. 4 UrhG).
Rz. 411
Zur Umsetzung des Art. 3 Abs. 2 DSM-RL sieht § 60d Abs. 5 UrhG vor, dass die zuvor genannten Berechtigten die Vervielfältigungen mit angemessenen Sicherheitsvorkehrungen gegen unbefugte Benutzung aufbewahren dürfen, solange sie für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder zur Überprüfung wissenschaftlicher Erkenntnisse erforderlich sind. Die Speicherung hat in einer gesicherten (elektronischen) Umgebung zu erfolgen.
Rz. 412
Allerdings sind das Korpus und die Vervielfältigungen des Ursprungsmaterials nach Abschluss der Forschungsarbeiten zu löschen. Zudem ist die öffentliche Zugänglichmachung zu beenden. Zulässig ist dagegen, das Korpus und die Vervielfältigungen des Ursprungsmaterials den öffentlichen Bibliotheken (§ 60e UrhG) sowie den Archiven, Museen und Bildungseinrichtungen (§ 60f UrhG) zur dauerhaften Aufbewahrung zu übermitteln (§ 60d Abs. 3 UrhG).
Rz. 413
Da aufgrund einer großen Anzahl von Zugangs- und Download-Anfragen im Rahmen von Text und Data Mining die Nutzung eines Netzwerks für die übrigen Nutzer stark eingeschränkt wird, sieht § 60d Abs. 6 UrhG in Umsetzung des Art. 3 Abs. 3 DSM-RL Maßnahmen vor (diese müssen erforderlich sein), die verhindern, dass die Sicherheit und Integrität der Netze (der Rechtsinhaber) gefährdet werden. Es könnte z.B. mittels Überprüfung von IP-Adressen oder einer Nutzerauthengifizierung sichergestellt werden, dass nur Personen mit rechtmäßigem Zugang auf diese Daten zugreifen können.