Rz. 414
§ 60e Abs. 1 UrhG erlaubt es öffentlich zugänglichen Bibliotheken, die keine unmittelbaren oder mittelbaren kommerziellen Zwecke verfolgen, ein Werk aus ihrem Bestand oder ihrer Ausstellung für Zwecke der Zugänglichmachung, Indexierung, Katalogisierung, Erhaltung und Restaurierung zu vervielfältigen oder vervielfältigen zu lassen.
Dies kann auch mehrfach geschehen und mit technisch bedingten Änderungen, was damit begründet wird, dass die digitale Langzeitarchivierung ohne Sicherungskopien sowie die Kopie auf andere Datenträger nicht denkbar sei. Denn die Haltbarkeit auf Datenträgern ist zeitlich begrenzt. Formumwandelnde Kopien sind auch erforderlich, um den dauerhaften Zugriff auf weitere Werke zu ermöglichen, wenn das bisher verwendete Format technisch überholt ist. Dahinter steht auch der Gedanke, dass die Erhaltung des Kulturerbes nur effizient möglich ist, wenn auf den EU- Binnenraum bezogene grenzüberschreitende Netzwerke gegründet werden können.
§ 60e Abs. 6 UrhG bezieht nunmehr in Umsetzung des Art. 6 DSM-RL auch solche öffentlich zugänglichen Bibliotheken mit ein, die kommerzielle Zwecke verfolgen, allerdings nur im Hinblick auf die Vervielfältigungen zum Zweck der Erhaltung eines Werkes.
Rz. 415
Vervielfältigungen, egal ob für nicht-kommerzielle oder kommerzielle Zwecke, dürfen nur in dem für diese Erhaltung notwendigen Umfang erfolgen.
Vervielfältigungen zum Zweck der Erhaltung gem. § 60e Abs. 1 und 6 UrhG sowie zum Zweck der Indexierung, Katalogisierung und Restaurierung nach § 60e Abs. 1 UrhG sind vergütungsfrei (§ 60h Abs. 2 Nr. 2 UrhG).
Rz. 416
Öffentliche Bibliotheken und über den Verweis in § 60f Abs. 1UrhG auch Archive, Museen und Bildungseinrichtungen dürfen Vervielfältigungen eines Werkes aus ihrem Bestand an andere Bibliotheken oder in § 60f UrhG genannte Institutionen für Zwecke der Restaurierung verbreiten, d.h. körperliche Gegenstände zu dem genannten Zweck überlassen, was das Verbreitungsrecht des Urhebers (§ 17 UrhG) tangiert. Weiterhin dürfen auch restaurierte Werke sowie Vervielfältigungsstücke von Zeitungen, vergriffene und zerstörte Werke aus deren Bestand verliehen werden (§ 60e Abs. 2 UrhG).
Weiterhin ist eine Verbreitung zum Zweck der Ausstellung oder der Bestandsdokumentation zulässig (§ 60e Abs. 3 UrhG). Anders als der Bestimmung der § 58 Abs. 2 UrhG a.F. zu entnehmen, ist nunmehr kein zeitlicher Zusammenhang mit der Ausstellung erforderlich, wodurch geschützte Inhalte nach dem Ausstellungsende noch verbreitet werden dürfen. Weiterhin sind auch Werke in Dauerausstellungen erfasst. Diese Schrankenregelungen deckt nun auch weitere Werkarten wie Filmwerke und technische Skizzen ab.
Rz. 417
Die sog. "Terminal-Schranke" ist in § 60e Abs. 4 UrhG geregelt und entspricht § 52b UrhG a.F. (On-the-Spot-Consultation). Bibliotheken dürfen in ihren Räumen ein Werk aus ihrem Bestand ihren Nutzern für deren Forschung oder private Studien zugänglich machen. An elektronischen Leseplätzen können diese Werke wie in analoger Form genutzt werden. Dadurch, dass die Bibliotheken öffentlich zugänglich sind, liegt hier auch eine öffentliche Zugänglichmachung vor.
Wie schon nach der Vorgängerregelung des § 52b S. 1 UrhG a.F. steht die Schrankenbestimmung unter dem Vorbehalt (§ 60g Abs. 2 UrhG), dass Vereinbarungen, die ausschließlich die Zugänglichmachung an Terminals zum Gegenstand haben, dieser gesetzlichen Regelung vorgehen. "Anschlusskopien" (Kopien von Werken, die elektronisch an Leseplätzen zu Kenntnis genommen werden, auch durch Abspeichern auf USB-Sticks) dürfen zwar gefertigt werden, aber der Umfang ist auf maximal 10 % eines Werkes beschränkt. Bibliotheken haben sicherzustellen, dass Tageszeitungen und Zeitschriften an Terminals nicht ausgedruckt werden können.
Rz. 418
Der Kopienversand auf Bestellung einschließlich dem elektronischen Versand ist in § 60e Abs. 5 UrhG erlaubt. Diese Regelung entspricht – allerdings mit einigen Änderungen – dem bis zum 1.3.2018 geltenden § 53a UrhG.
Die dort erfassten Werke müssen bereits erschienen sein. Die Vervielfältigung darf 10 % des gesamten Werkes nicht überschreiten oder es muss sich um einzelne Beiträge aus Fachzeitschriften oder wissenschaftlichen Zeitschriften handeln. Auch hier – wie bei der Terminalschranke des Absatz 4 – gilt der Vorrang vertraglicher Vereinbarungen (§ 60g Abs. 2 UrhG).
Rz. 419
Für Archive, Einrichtungen im Bereich des Film- oder Tonerbes, öffentlich zugängliche Museen und Bildungseinrichtungen (§ 60a Abs. 4 UrhG), die keine unmittelbaren oder mittelbaren kommerziellen Zwecke verfolgen, verweist § 60f Abs. 1 UrhG auf die Regelung zu den Bibliotheken in § 60e UrhG mit Ausnahme dessen Abs. 5 (Kopienversand auf Bestellung) und Abs. 6 (kommerziell tätige Bibliotheken).
Archive, die auch im öffentlichen Interesse tätig sind, dürfen ein Werk vervielfältigen oder vervielfältigen lassen, um es als Archivgut in ihre Bestände aufzunehmen. Die abgebende Stelle hat unverzüglich die b...