Rz. 549
Gegenstand der hier maßgeblichen Tätigkeit der Diensteanbieter (§ 2 UrhDaG) ist die "öffentliche Wiedergabe", was dann der Fall ist,
wenn er der Öffentlichkeit Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken (§ 21 UrhDaG erklärt sämtliche Regelungen dieses Gesetzes auch für verwandte Schutzrechte für anwendbar) verschafft, die von Nutzern des Dienstes hochgeladen worden sind (§ 1 Abs. 1 UrhDaG).
Die Regelung hat in weiten Teilen den Charakter einer lex specialis zu Art. 3 Harmonisierungsrichtlinie mit der Folge, dass für die Haftung von Diensteanbietern i.S.d. DSM-RL sowie für deren Nutzer überwiegend die Regelungsbefehle in Art. 17 DSM-RL maßgeblich sind, nicht aber Art. 3 Abs. 1 oder Art. 5 Harmonisierungsrichtlinie. Konsequenz ist, dass die Schrankenregelung des Art. 5 Harmonisierungsrichtlinie nicht einschlägig ist. Weitere Folge ist die fehlende Zuordnung zu Art. 8 (öffentliche Wiedergabe) sowie zu Art. 10 WCT und Art. 9 Abs. 2 RBÜ (Drei-Stufen-Test).
Rz. 550
Es gilt nunmehr der Grundsatz der Haftung als Täter (Verantwortlichkeit), ohne die Haftungsprivilegierung des § 10 TMG (§ 1 Abs. 3 UrhDaG). Im Gegensatz zu den durch die Rechtsprechung für Host-Provider entwickelten Grundsätze der Störerhaftung können sich die Rechtsinhaber nicht nur auf Unterlassungsansprüche, sondern auch solche auf Schadensersatz gem. § 97 UrhG berufen.
Rz. 551
Der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 13.10.2020 (RefE) sah die aus Art. 17 DSM-RL erwachsenden Ansprüche als neuartiges Rechtsregime sui generis an, das als Spezialregelung neben den Maßgaben der Harmonisierungsrichtlinie stehe. Dieser neue Ansatz wurde von Nordemann/Waiblinger allerdings zu Recht kritisiert, die die "Verantwortlichkeit" in drei Ebenen aufteilten. Damit werde deutlich, dass Art. 17 DSM-RL einen "Fremdkörper" im bisherigen Gefüge, also dem Zusammenspiel zwischen Urheberrecht und Recht der Telemediendienste, der Harmonisierungsrichtlinie, der Enforcement-RL 2004/48/EU, insbesondere zur dazu ergangenen haftungsrechtlichen Rechtsprechung, darstelle. Es sei zu differenzieren zwischen der verwertungsrechtlichen, der haftungsrechtlichen sowie der schrankenrechtlichen Ebene. Auf der Verwertungsebene würden sich Art. 17 DSM-RL und Art. 3 Harmonisierungsrichtlinie nicht unterscheiden, wohl aber auf der Haftungsebene. Wie die Ausführungen des EuGH z.B. in der Entscheidung "The Pirate Bay" belegten, würde die Wiedergabe verstanden als volle Kenntnis der Folgen des Verhaltens der Diensteanbieter, um Dritten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten zu gewähren. Die Öffentlichkeit der Wiedergabe ist dann erfüllt, wenn schon eine bestimmte Mindestschwelle überschritten ist. Hinzu kommen dann noch die Kriterien "neues Publikum" (Untermerkmal "Erkennen können") und "Erwerbszweck". Im Gegensatz zu diesen Überlegungen zu Art. 3 Harmonisierungsrichtlinie sieht Art. 17 Abs. 4 DSM-RL die "Verantwortlichkeit" als haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht, die keinerlei Kenntnis verlangt.
In den Vorlageverfahren "YouTube/Uploaded" fragt der BGH, ob die haftungsrechtliche Ebene in Art. 3 Harmonisierungsrichtlinie noch durch Art. 11 S. 1 und Art. 13 Enforcement-RL 2004/48/EU (einstweilige Verfügung und Schadensersatzanspruch bei Verletzung der Rechte des geistigen Eigentums) ergänzt und ersetzt wird. Nunmehr hat der EuGH entschieden, dass grundsätzlich keine öffentliche Wiedergabe durch diese Plattformen erfolgt. Dies sei nur dann gegeben, wenn über die bloße Bereitstellung ein Beitrag zur Verletzung von Urheberrechten erfolge und diese davon Kenntnis habe.
Schließlich sei die schrankenrechtliche Ebene zu betrachten. Art. 17 Abs. 7 UAbs. 2 DSM-RL schreiben Zitat, Kritik und Rezensionen sowie die Nutzung von Karikaturen, Parodien oder Pastiches, anders als in Art. 5 Abs. 3 Harmonisierungsrichtlinie, verpflichtend vor. Art. 5 Abs. 3 sowie 5 Harmonisierungsrichtlinie bleibt aber weiterhin maßgeblich, wonach der Schrankenkatalog abschließend ist.
Rz. 552
Festzuhalten ist: Online-Plattformen wurden bisher im Urheberrecht nur mittelbar als "Störer" erfasst. Originär sind diese Art. 14 E-Commerce-RL zuzuordnen, der in § 10 TMG umgesetzt wurde. Die DSM-RL sieht die Diensteanbieter nunmehr als eigenständige Akteure des Urheberrechts (Täter). Diese werden als Antipode zum Nutzer gesehen, die nunmehr auch einen besonderen Status erhalten.
Rz. 553
Die grundsätzlich bestehende Verantwortlichkeit entfällt, wenn der Diensteanbieter seine Pflichten nach den § 4 UrhDaG (Erwerb von vertraglichen Nutzungsrechten), § 7 UrhDaG (qualifizierte Blockierung), § 8 UrhDaG (einfache Blockierung) sowie der öffentlichen Wiedergabe mutmaßlich erlaubter Nutzungen (§§ 9–11 UrhDaG) nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfüllt (Art. 17 Abs. 4 DSM-RL, § 1 Abs. 2 UrhDaG).
Dabei sind zu berücksichtigen:
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die Art, das Publikum und der Umfang des Dienstes (Nr. ... |