Rz. 556
Erlaubt sind Nutzungen dann, wenn sich der Diensteanbieter um Lizenzangebote bemüht.
1. Lizenzangebote
Rz. 557
Der Lizenzvertrag ist der Standard, von dem Art. 17 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 Buchstabe a) DSM-RL ausgeht. Die Umsetzung ist durch § 4 UrhDaG erfolgt. Der Diensteanbieter hat "bestmögliche Anstrengungen" zu unternehmen, um vertragliche Nutzungsrechte für die öffentliche Wiedergabe zu erlangen. § 4 Abs. 1 S. 2 UrhDaG ist dabei als kein einseitiger Kontrahierungszwang des Diensteanbieters zu entnehmen, wie dies noch im Referentenentwurf zum Ausdruck kam, sondern lediglich eine einseitige Obliegenheit. Letzterer hat also nicht die Pflicht, aktiv nach Lizenzangeboten einzelner Rechtsinhaber zu "forschen", was angesichts der unüberschaubaren Anzahl an "Angeboten" unverhältnismäßig wäre (siehe auch Art. 17 Abs. 5 DSM-RL). Der Diensteanbieter erfüllt seine diesbezügliche Pflicht, wenn er Nutzungsrechte erwirbt, die ihm entweder angeboten werden oder die über eine im Inland ansässige Verwertungsgesellschaft oder abhängige Verwertungseinrichtung (§ 3 VGG) verfügbar sind.
Rz. 558
Die eigentliche Bedeutung des § 4 UrhDaG liegt darin, dass die Plattform im Gegensatz zu § 10 TMG nicht erst tätig werden muss, wenn der Rechtsinhaber auf die Plattform zugeht ("notice"). Bietet etwa eine Verwertungsgesellschaft – auch im Rahmen sog. erweiterter Lizenzen (also auch für nicht Berechtigte) – Nutzungsrechte an, haftet die Plattform für einen nicht lizenzierten Inhalt, wenn dieser durch Nutzer öffentlich zugänglich gemacht wird.
Rz. 559
Zu beachten ist, dass es dem Diensteanbieter unbenommen bleibt, Angebote für Individuallizenzen einzuholen bzw. anzunehmen.
Die Konkretisierung der Lizenzangebote erfolgt durch § 4 Abs. 2 UrhDaG.
Nutzungsrechte müssen
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für Inhalte gelten, die der Diensteanbieter typischerweise öffentlich wiedergibt (bei einer Videoplattform Filme und nicht etwa Musikdateien) (Nr. 1), |
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in Bezug auf Werk und Rechteinhaber ein erhebliches Repertoire umfassen (es soll vermieden werden, dass sich der Diensteanbieter mit einer Vielzahl von einzelnen Rechtsinhabern auseinandersetzen muss, was angesichts der dann anfallenden Transaktionskosten unverhältnismäßig wäre) (Nr. 2), |
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den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes abdecken (Nr. 3) und |
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die Nutzung zu angemessenen Bedingungen ermöglichen (Nr. 4). |
Rz. 560
Hinweis
Diese Lizenzierungspflicht des Diensteanbieters besteht unabhängig von den gesetzlichen Erlaubnissen gem. § 5 UrhDaG. Auch die Erlaubniserstreckung durch den Nutzer gem. § 6 Abs. 2 UrhDaG befreit nicht von der Pflicht zur Lizenzierung sowie zur Wiedergabe mutmaßlicher erlaubter Nutzungen gem. §§ 9 – 11 UrhDaG.
2. Direktvergütungsanspruch des Urhebers
Rz. 561
Da Rechtsinhaber, die Lizenzen vergeben können, in der Regel nicht die Urheber oder ausübende Künstler selbst sind, sondern Unternehmen der Kulturwirtschaft, ist im Fall der Übertragung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe auf einen Dritten ("Verwerter") trotz der Regelungen der §§ 32 ff. UrhG eine angemessene Vergütung nicht immer gewährleistet. Um eine faire Beteiligung der Kreativen zu erreichen, wird diesen dann ein direkter Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Diensteanbieter zugestanden (§ 4 Abs. 3 UrhDaG). Ein solcher Direktvergütungsanspruch besteht allerdings nur dann, wenn die Urheber auf den Vertragsschluss der Plattformen selbst keinen wesentlichen Einfluss nehmen können. Daher wurde in § 4 Abs. 3 S. 2 UrhDaG noch ergänzt, dass Satz 1 nicht anzuwenden ist, "wenn der Dritte eine Verwertungsgesellschaft ist oder der Urheber den Dritten als Digitalvertrieb einschaltet."
Rz. 562
Hinweis
Die Wahrnehmung des Online-Rechts durch eine Verwertungsgesellschaft bzw. Digitalvertriebe bietet den Kreativen ausreichenden Schutz einer angemessenen Beteiligung. Digitalvertriebe wie etwa Merlin (https://merlinnetwork.org) und Zebralution (https://zebralution.com/de/) gewinnen in letzter Zeit immer mehr an Bedeutung. Diese Dienste werden von Künstlerinnen und Künstlern für die Online-Verwertung in Anspruch genommen und können ohne Hilfe klassischer Verwerter wie Labels oder Verlage ihre Werke vermarkten. Diese Digitalvertriebe sind allerdings selbst nicht Inhaber von Leistungsschutzrechten.
Rz. 563
Zudem besteht ein Direktvergütungsanspruch auch dann nicht, wenn der Urheber jedermann unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht einräumt, etwa durch Creativ-Commons-Lizenzen.
Dieser Direktvergütungsanspruch steht in Bezug zu den Leistungsschutzrechten lediglich dem Lichtbildner und ausübenden Künstlern zu (§ 21 Abs. 2 UrhDaG).
Rz. 564
Der Urheber kann auf den Direktvergütungsanspruch nicht verzichten und diesen im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abtreten, die diesen Vergütungsanspruch auch nur...