(a) Rechtsnachfolge
Rz. 602
Mit dem Erbfall tritt der Erbe automatisch in alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen ein (§ 1922 BGB). Der Erbe ist damit auch verpflichtet, Schulden des Erblassers zu begleichen (§ 1967 BGB). Zu typischen Nachlassschulden gehören Schadenersatzansprüche Dritter; verstirbt ein Schadenersatzpflichtiger, haften nach seinem Tod die Erben auf Ersatz. Die zivilrechtliche Abwicklung der gegen den Verstorbenen gerichteten Schadenersatzansprüche folgt der erbrechtlichen Situation.
Rz. 603
Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten regeln §§ 1967–2017 BGB; für Miterben sind §§ 2058–2063 BGB zu beachten. Reicht der Nachlass nicht aus, um die Nachlassverbindlichkeiten vollständig zu begleichen, haftet der Erbe unbeschränkt mit seinem Privatvermögen. Miterben haften dabei entsprechend ihrer Erbquote als Gesamtschuldner.
(b) Fiskus
Rz. 604
Lässt sich anderweitig kein Erbe feststellen, erbt in letzter Konsequenz (ohne Ausschlagungsrecht, § 1942 Abs. 2 BGB) vorrangig dasjenige Bundesland, in dem der Erblasser zur Zeit des Erbfalls wohnte bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, nachrangig der Bund (§§ 1936, 1964 ff. BGB).
Rz. 605
Die Nachlassverbindlichkeiten gehen dabei auf den Staat als gesetzlichen Erben wie auf einen sonstigen Erben über. Eine Beschränkung der Haftung ist – wie bei anderen Erben auch – nach §§ 1942 ff. BGB herbeizuführen; ebenso steht dem Staat die Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB) zu.
Rz. 606
Gegen den Fiskus als gesetzlichen Erben können Ansprüche erst dann verfolgt werden, nachdem vom Nachlassgericht festgestellt worden ist, dass ein anderer Erbe nicht vorhanden ist (§ 1966 BGB).
(c) Klage
Rz. 607
Steht hinter dem Schädiger ein Kfz-Haftpflichtversicherer, ändert dies angesichts der action directe (§ 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG) nichts an der Passivlegitimation der Versicherung.
Rz. 608
Im Privathaftpflichtbereich ist die Klage nur gegen den Erben des Täters zu richten; es gibt hier keine Direktklage. Der Tod des Versicherten berechtigt nicht zur Direktklage. Handelt es sich um eine Private oder Berufs-Haftpflichtversicherung, kommt bei Tod und unbekannter Erbfolge § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 VVG (unbekannter Aufenthalt) bereits seinem Wortlaut nach nicht zum Tragen. Die Literatur übernimmt die zu § 185 Nr. 1 ZPO (öffentliche Zustellung) entwickelten Grundsätze. Danach muss der Aufenthalt allgemein und nicht nur dem Dritten unbekannt sein. Der in § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 VVG verlangte "unbekannte Aufenthalt des Versicherungsnehmers" greift nicht bei dessen Versterben. Als Ausnahmevorschrift ist § 115 Abs. 1 S. 1 VVG einer Analogie nicht zugänglich.
Rz. 609
In einem Prozess muss der Erbe einen Haftungsbeschränkungsvorbehalt (§ 780 ZPO) in den Tenor des Urteils aufnehmen lassen. Dies kann noch während der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz beantragt werden. Es ist möglich, Berufung einzulegen mit dem alleinigen Ziel, einen Haftungsbeschränkungsvorbehalt in das Urteil aufnehmen zu lassen.
(d) Beschränkung der Erbenhaftung
Rz. 610
Kann oder will ein Erbe die Erbschaft nicht ausschlagen (§§ 1942 ff. BGB), kommt auch eine Beschränkung der Erbenhaftung in Betracht (§§ 1975 ff. BGB). Will sich der Erbe vor einem Zugriff auf sein Eigenvermögen schützen, muss er aktiv werden (§ 1975 BGB).
Rz. 611
Die Beschränkung erfolgt rechtlich über Nachlassverwaltung und Nachlassinsolvenz (§ 1975 ff. BGB). Dadurch wird eine Trennung von Nachlass und Eigenvermögen des Erben bewirkt und die Gläubiger werden ausschließlich durch das Nachlassvermögen befriedigt.
Rz. 612
Einige spezielle Regeln sehen von Gesetzes wegen eine Beschränkung vor, z.B. im Falle der Betreuung (§ 1881 BGB).
Rz. 613
Neben der Beschränkung gibt es verschiedene Einreden, mit denen sich eine beschränkte Erbenhaftung erreichen lässt. Die Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB) kommt in Betracht, wenn nachweislich der Wert des Nachlasses nicht einmal ausreicht, die Kosten eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu decken. Daneben existieren u.a. die Dreimonatseinrede (§ 2014 BGB), Aufgebotseinrede (§ 2015 BGB) und Verschweigungseinrede (§ 1974 BGB).
(e) Verjährung
Rz. 614
Die Erbenhaftung kann verjähren. Machen Nachlassgläubiger ihre Forderungen nicht innerhalb von drei Jahren geltend, sind diese i.d.R. verjährt. Dann haftet der Erbe für diese Verbindlichkeiten weder mit ...