Rz. 149

Die Differenzierung nach schadenkongruenten Forderungen hat Bedeutung auch für Teilabfindungen sowie für etwaige Forderungsübergänge auf Drittleistungsträger, aber auch – bei unzureichender Deckungssumme oder unzureichendem Vermögen des Schädigers – für quotenbevorrechtigte Forderungen des unmittelbar Verletzten.

 

Rz. 150

Der BGH[114] betont die Wirkungen der Forderungsübergänge (vor allem des § 116 SGB X): Zum einen die Verhinderung einer unverdienten Entlastung des Verursachers eines Schadens durch eine Sozialleistung, zum anderen der Vermeidung einer doppelten Entschädigung des Geschädigten. Die Sichtweise der sog. "Gruppentheorie"[115] (wonach im Allgemeinen die für den Regress des Leistungsträgers erforderliche sachliche Kongruenz von Leistung und Schadenersatzanspruch schon dann bejaht wird, wenn beide derselben Schadensgruppe dienen) ist auf die Aufgabe beschränkt, die Schadensregulierung zu erleichtern.[116] Das macht nicht die Prüfung entbehrlich, ob Sinn und Zweck des § 116 SGB X die Geltendmachung des Ersatzanspruchs durch den Leistungsträger anstelle des Geschädigten rechtfertigen.[117] Ohne dieses Korrektiv könnte das unbillige Ergebnis eintreten, dass der Geschädigte, wenn für ihn ein Versicherungsträger eintritt, trotz eines uneingeschränkten Ersatzanspruchs gegen den Schädiger keine vollständige Schadensdeckung erreicht, wenn die Leistungen des Versicherungsträgers sich zwar der Art nach auf den Schaden beziehen, diesen aber nur zu einem Teil abdecken.[118]

 

Rz. 151

Zu § 116 SGB X führt der BGH[119] aus:

Zitat

"Gemäß § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Versicherungsträger über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen (sachliche Kongruenz) und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen (zeitliche Kongruenz). Dabei knüpft der Forderungsübergang an die Leistungspflicht des SVT an ("zu erbringen hat"), nicht an tatsächlich erbrachte Leistungen (vgl. BGH BGHZ 155, 342, 347 ff. [juris Rn 15 ff.][120])."

 

Rz. 152

Sachliche Kongruenz von Versicherungsleistung einerseits und Schadensersatzanspruch andererseits besteht, wenn beide derselben Schadensart zuzuordnen sind.[121] Es werden abschließend für den Personenschaden folgende Schadenarten unterschieden:

 

Rz. 153

 

Übersicht 2.7: Schadenpositionen einer geschädigten Person

Gesamtheit der Schadenpositionen der anspruchsberechtigten Person
materieller Schaden immaterieller Schaden[122]
Sachschaden Körperschaden
sonstiger Schaden[123] Eigentumsstörung[124] Heilbehandlung Erwerbsschaden entgangene Dienste Unterhaltsschaden Beerdigungskosten vermehrte Bedürfnisse Schmerzensgeld
Hinterbliebenengeld[125]
 

Rz. 154

Der Haushaltsführungsschaden bildet keine eigenständige Kongruenzgruppe, sondern hat eine Kongruenzverbindung einerseits zum Verdienstausfall, andererseits zu vermehrten Bedürfnissen. Daher verändert sich die Übergangsfähigkeit dieser Schadenersatzposition im Laufe der Zeit auch in Abhängigkeit vom Familienzuschnitt[126] (§ 1 Rdn 472 ff.).

[114] BGH v. 30.6.2015 – VI ZR 379/14 – BGHZ 206, 136 = DAR 2016, 82 = GesR 2015, 611 (Anm. Baur) = jurisPR-SozR 20/2015, Anm. 4 (Anm. Kirchhoff) = MDR 2015, 1131 = NZV 2015, 589 = r+s 2015, 472 = RdLH, 52 (Anm. Schumacher) = UV-Recht Aktuell 2016, 155 = VersR 2015, 1048. Siehe auch Jahnke/Burmann-Jahnke/Burmann, Handbuch Personenschadensrecht, 2. Aufl. 2022, Kap. 6 Rn 5125, 5754 ff. m.w.H.
[115] Dazu BGH v. 30.6.2015 – VI ZR 379/14 – BGHZ 206, 136 = DAR 2016, 82 = GesR 2015, 611 (Anm. Baur) = jurisPR-SozR 20/2015, Anm. 4 (Anm. Kirchhoff) = MDR 2015, 1131 = NZV 2015, 589 = r+s 2015, 472 = RdLH, 52 (Anm. Schumacher) = UV-Recht Aktuell 2016, 155 = VersR 2015, 1048.
[116] BGH v. 24.2.1981 – VI ZR 154/79 – BB 1981, 1527 = BG 1982, 72 = MDR 1981, 744 = NJW 1981, 1846 = r+s 1981, 96 = VersR 1981, 477, 478 = VRS 61, 187 = zfs 1981, 206 m.w.N.
[117] BGH v. 24.2.1981 – VI ZR 154/79 – BB 1981, 1527 = BG 1982, 72 = MDR 1981, 744 = NJW 1981, 1846 = r+s 1981, 96 = VersR 1981, 477 = VRS 61, 187 = zfs 1981, 206 m.w.N.; BGH v. 25.9.1973 – VI ZR 49/72 – BG 1974, 268 = MDR 1974, 302 = NJW 1974, 41, 640 = VersR 1974, 162, 163; BGH v. 20.3.1973 – VI ZR 19/72 – NJW 1973, 1196 = VersR 1973, 566, 567. Siehe auch bereits BGH v. 27.10.1970 – VI ZR 47/69 – BGHZ 54, 377, 381 ff. = NJW 1971, 286 = VersR 1971, 149.
[118] BGH v. 30.6.2015 – VI ZR 379/14 – BGHZ 206, 136 = DAR 2016, 82 = GesR 2015, 611 (Anm. Baur) = jurisPR-SozR 20/2015, Anm. 4 (Anm. Kirchhoff) = MDR 2015, 1131 = NZV 2015, 589 = r+s 2015, 472 = RdLH, 52 (Anm. Schumacher) = UV-Recht Aktuell 2016, 155 = VersR 2015, 1048; BGH v. 10.4.1979 – VI ZR 268/76 – BG 1979, 672 = DAR 1980, 59 = MDR 1979, 927 = NJW 1979, 2313 = r+s 1979, 196 = VersR 1979, 640 = VRS 58, 87.
[119] BGH v. 19.1.2021 – VI ZR 125/20 – BeckRS 2021, 1088 = MDR 2021, 680 = NJW 2021, 1301 = NZS 2021, ...

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