Rz. 1289
Da der Forderungsübergang auf Arbeitsverwaltung und SHT in Schadenfälle ab dem 1.7.1983 zu einem Zeitpunkt erfolgt, den in der täglichen Praxis kaum jemand voraussehen kann ("Orakel"), ist die außergerichtliche Regulierung von Unfallschäden für den Schadenersatzleistenden mit einem erheblichem Risiko behaftet, wenn beide Parteien (Verletzter, Ersatzpflichtiger) eine in die Zukunft gerichtete Erledigung gemeinsam anstreben oder der Verletzte auf einer Kapitalisierung besteht.
Rz. 1290
Hervorzuheben ist eine Besonderheit für diejenigen Leistungsträger, deren Sozialleistungen eben nicht an das Vorbestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses anknüpfen (wie Arbeitsverwaltung und Sozialamt). Der Forderungsübergang findet dann statt, wenn und soweit infolge des schädigenden Ereignisses aufgrund konkreter Anhaltspunkte künftige Sozialleistungen (z.B. Rehabilitationsmaßnahmen) ernsthaft in Betracht kommen.
(a) Sozialhilfe
(aa) Forderungsübergang
Rz. 1291
Verdienstausfallansprüche (oder andere in regelmäßig wiederkehrender Höhe zu entrichtende Rentenbeträge), die einem Verletzten für die Zukunft zustehen, müssen ihm ohne Berücksichtigung etwaiger Sozialhilfeansprüche zuerkannt werden. Im Hinblick auf den Subsidiaritätscharakter der Sozialhilfe muss ein Geschädigter seinen Lebensbedarf zunächst aus dem Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger decken, bevor er auf die Sozialhilfe zurückgreifen kann.
Rz. 1292
Der Forderungsübergang auf den SHT erfolgt bereits, sobald infolge des schädigenden Ereignisses aufgrund konkreter Anhaltspunkte, insbesondere auch für eine Bedürftigkeit des Verletzten, mit der Leistungspflicht eines SHT zu rechnen ist. Erforderlich für den Rechtsübergang ist also, dass nach den konkreten Einzelfallumständen Sozialleistungen ernsthaft in Betracht zu ziehen sind. Zugleich hat der BGH den Schutz des Schadenersatzverpflichteten nach §§ 407 Abs. 1, 412 BGB (gutgläubige Leistung an einen Nichtberechtigten) drastisch eingeschränkt: An die Kenntnis des Forderungsüberganges seien "nur maßvolle Anforderungen zu stellen, um den Schutz der sozialen Leistungsträger nicht durch die Behauptung fehlenden Wissens vom Gläubiger unterlaufen zu können".
Rz. 1293
Unterfällt der Schadenfall der Zuständigkeit eines UVT, sind (auch spätere) Leistungen eines SHT regelmäßig nicht wahrscheinlich. Jedenfalls erfolgt ein Forderungswechsel zum SHT nicht im Unfallzeitpunkt, da sich noch keine konkreten Fallumstände für die Eintrittspflicht eines SHT abzeichnen. Die Abfindung des UVT schließt Ansprüche des SHT aus, da dann von Gesamtgläubigerschaft auszugehen ist.
Rz. 1294
Die Voraussehbarkeit hat sich auch zugleich auf die (u.U. erst künftig eintretende) Bedürftigkeit der geschädigten Person zu erstrecken.
Rz. 1295
Ein rechtskräftiges, vom Geschädigten erstrittenes Feststellungsurteil wirkt ebenso wie ein titelersetzendes Anerkenntnis auch zugunsten – aber auch zulasten – des SHT (ergänzend Rdn 1251).
Rz. 1296
Für den Lauf der Verjährung gegenüber dem SHT kommt es nicht auf den (i.d.R. recht frühen) Kenntnisstand des Geschädigten an, sondern (zur Vermeidung einer Schlechterstellung des SHT gegenüber einem SVT) auf die Kenntnis des beim SHT regressbefugten Sachbearbeiters (§ 5 Rdn 503 ff.).
Rz. 1297
Trotz Forderungsüberganges auf den SHT verbleibt dem unmittelbar Geschädigten die Ermächtigung, vom Schädiger die Forderungen für den SHT geltend zu machen (und in Prozessstandschaft für den SHT die Forderung einzuklagen) und die Ersatzleistung einzufordern (Nachrang der Sozialhilfe), um im Umfang des Anspruchs seine eigene Hilfebedürftigkeit zu vermeiden; denn nach dem Nachrangprinzip (§ 2 BSHG a.F., § 2 SGB XII) erhält keine Sozialhilfe, wer sich selbst helfen kann (Rdn 1252).
Rz. 1298
Die Rechtsprechung zur Einziehungsermächtigung bezieht sich ausschließlich auf den Forderungsübergang auf einen Träger der Sozialhilfe (Rdn 63 und Rdn 1253; § 3 Rdn 208).