Rz. 188

Leistungserbringer (= Anspruchsgegner) sind zum einen der Schadenersatzpflichtige (und sein Haftpflichtversicherer), zum anderen Drittleistungsverpflichtete.

 

Rz. 189

 

Übersicht 2.9: Leistungszuständigkeit im Schadenfall

Leistungserbringer Leistungsgrund

Ersatzverpflichteter

(bzw. hinter ihm stehender Haftpflichtversicherer)

Haftungsnormen

bestimmen die Ersatzpflicht.

Schadenersatznormen

bestimmen den zu erstattenden Schaden.

Drittleistungsträger

(zugleich i.d.R. gegenüber dem Schadenersatzpflichtigen dann Ersatzempfänger)

Leistungspflicht aufgrund eigener Rechtsbeziehung zum Versicherten, Arbeitnehmer pp.

(z.B. aufgrund des Sozialversicherungs-, Sozialhilfe-, Arbeits- oder privaten Versicherungsrechtes).

a) Unmittelbare Verantwortlichkeit

 

Rz. 190

Als Anspruchsverpflichteter kommt neben dem handelnden Schädiger selbst u.a. auch der für ein prinzipiell gefährliches Objekt (Kfz, Tier, gefährliches Produkt) Verantwortliche in Betracht.[149]

 

Rz. 191

Der für das Schadenereignis unmittelbar Verantwortliche haftet der Höhe nach unbeschränkt, sofern er nicht bereits im Haftungsverhältnis seine Verantwortung privatrechtlich wirksam (siehe u.a. §§ 276 Abs. 3, 305 ff. BGB) beschränkte oder gesetzliche Normen (z.B. § 12 StVG) eine Haftungshöchstsumme vorsehen.[150]

[149] Siehe ergänzend Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 2 Rn 28.
[150] Siehe ergänzend Jahnke/Burmann-Jahnke, Handbuch Personenschadensrecht, 2. Aufl. 2022, Kap. 1 Rn 401 ff.

b) Haftpflichtversicherer

 

Rz. 192

Während Personenschaden und Personenfolgeschaden bei Verschuldenshaftung grundsätzlich ohne Begrenzung der Schadenhöhe vom Schadensersatzpflichtigen zu ersetzen sind, ist der hinter einem schadenrechtlich Verantwortlichen stehende Haftpflichtversicherer auf seine versicherungsvertragliche Leistung beschränkt: Der Versicherer schuldet nur eine Leistung (Versicherungsleistung), haftet aber nicht.

 

Rz. 193

Wird die Versicherungssumme überschritten, sind die §§ 107, 109 VVG (für Schadenfälle mit primären Schadensereignis bis 31.12.2007: §§ 155, 156 Abs. 3 VVG a.F.) zu bedenken.[151]

 

Rz. 194

Inwieweit der Haftpflichtversicherer Deckung zu gewähren hat, ergibt sich aus dem für den primären Schadenfall geltenden damaligen Versicherungsvertrag; eine Ausnahme gilt nach § 117 VVG für die Regulierungsverpflichtung im Rahmen der Mindestdeckung. Der Nachweis, insbesondere mit welchem Versicherer der Vertrag geschlossen wurde, welche Personen mitversichert und welche Versicherungssummen vereinbart sind, obliegt dem Versicherungsnehmer – und nicht dem Haftpflichtversicherer. Werden Ansprüche aus übergeleitetem Recht von Drittleistungsträgern verfolgt (z.B. § 116 SGB X), kann – außerhalb der Direktklagemöglichkeit – der Drittleistungsträger zwar nach Feststellung der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit (Haftungsverhältnis) im Verhältnis zum Schadenersatzpflichtigen dessen (vermeintlichen) Deckungsanspruch gegenüber dem zuständigen Haftpflichtversicherer (Deckungsverhältnis) pfänden und sich überweisen lassen (siehe § 829 ZPO); dies verändert aber nicht Darlegungs- und Nachweisregeln. § 3 Abs. 3, 5 VVG verschafft dem Versicherungsnehmer – und schon gar nicht mitversicherten Personen – keine Beweiserleichterung.[152] Die Aufbewahrungsfrist für Versicherungsunterlagen liegt grundsätzlich bei drei Jahren. Versicherungspolicen sind datenschutzrechtlich u.U. sechs Jahre nach Vertragsende zu löschen; hier korrespondieren Löschpflichten und Aufbewahrungsfristen.[153]

[151] Siehe ergänzend Jahnke/Burmann-Langenick, Handbuch Personenschadensrecht, 2. Aufl. 2022, Kap. 9 Rn 129 ff.
[152] Siehe auch BGH v. 27.9.2023 – IV ZR 177/22 – BeckRS 2023, 26057 (Rn 42 ff.) = DB 2023, 2556 = NJW 2023, 3490 = openJur 2023, 10350 = WM 2023, 2043.
[153] Siehe u.a. Art. 5 Abs. 1 lit. e, 17 DSGVO; § 257 Abs. 4 HGB; § 147 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 5 AO.

c) Drittleistungsträger

 

Rz. 195

Verletzte haben nicht nur Ansprüche gegenüber dem Unfallverursacher (Schadenersatzpflichtiger), sondern auch gegenüber Drittleistungsträgern (wie SVT, Arbeitgeber, Privatversicherung).[154]

[154] Dazu Jahnke/Burmann-Jahnke, Handbuch Personenschadensrecht, 2. Aufl. 2022, Kap. 6 Rn 5 ff.

aa) Sozialversicherungsträger – Sozialhilfeträger

 

Rz. 196

Bei der Schadenabwicklung ist zwingend und strikt auseinander zu halten, ob es sich um Leistungen der Sozialversicherung (SVT) oder solche der Sozialhilfe (SHT) oder Eingliederungshilfeträger handelt.

 

Rz. 197

Sozialversicherer sind die gesetzliche Kranken- (seit 1883), Pflege- (seit 1995), Renten- (seit 1911) und Unfallversicherung (seit 1884). Die 1927 eingeführte Arbeitslosenversicherung ist im Rechtssinne keine Sozialversicherung.[155] Den Träger der Eingliederungshilfe gibt es erst seit 1.1.2020.

 

Rz. 198

Rechtsgrundsätze, die für die Sozialversicherung entwickelt wurden, gelten definitiv nicht automatisch auch für die Sozialhilfe.[156]

[155] BGH v. 17.10.2017 – VI ZR 477/16 – BGHZ 216, 174 = MDR 2018, 149 = NJW 2018, 618 = NJW-Spezial 2018, 10 = r+s 2018, 51 = UV-Recht Aktuell 2017, 714 = VersR 2018, 57 = zfs 2018, 145.

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