Rz. 552
Äußerungen zu Bestand und Höhe eines Anspruches, die im Rahmen von Vergleichsverhandlungen abgegeben werden, binden den Erklärenden bei Scheitern der Vergleichsverhandlungen in aller Regel nicht. Scheitern die Gespräche, können für den Bereich der außergerichtlichen Verhandlungen zunächst unstreitig gestellte Verhandlungspositionen (zum Grund und zur Höhe des Anspruches) nachfolgend nunmehr durchaus prozessual streitig gestellt werden.
Rz. 553
Das OLG Hamm führt aus
Zitat
Die Haftpflichtversicherung der Beklagten hat in der Sache kein Anerkenntnis abgegeben. Ein bei Erteilung einer Regulierungszusage der Haftpflichtversicherung regelmäßig vorliegendes deklaratorisches Schuldanerkenntnis ließe sich nur bei entsprechenden übereinstimmenden Willenserklärungen annehmen. Die Klägerin sieht in der Vereinbarung des Termins mit dem Ziel des Abschlusses einer Regulierungsvereinbarung einerseits und der vorangegangenen Zahlung eines Betrages von 2.800 EUR andererseits die Vereinbarung eines Schuldanerkenntnisses hinsichtlich des Haftungsgrundes. Diese Rechtsmeinung teilt der Senat nicht. Die Wertung einer rechtgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Erklärung als Anerkenntnis setzt i.d.R. eine Interessenlage voraus, die zur Abgabe eines Anerkenntnisses Anlass gibt. Eine solche Interessenlage kann darin liegen, ein zwischen den Parteien bestehendes Schuldverhältnis einem Streit oder zumindest einer (subjektiven) Ungewissheit über den Bestand des Rechtsverhältnisses oder seine Rechtsfolgen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen zu entziehen. Daher enthält z.B. die vorbehaltlose Begleichung einer Rechnung über den Charakter als Erfüllungshandlung (§ 362 BGB) hinaus keine Aussage des Schuldners, zugleich den Bestand der erfüllten Forderungen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen außer Streit stellen zu wollen.
Hier erschöpft sich das Verhalten der Haftpflichtversicherung darin, dass sie zunächst keine Einwendungen zum Haftungsgrund erhoben hat, nach Geltendmachung eines Schmerzensgeldes von 6.500 EUR sowie Aufforderung zur Zahlung eines Vorschusses von mindestens 3.500 EUR auf Schmerzensgeld, Haushaltsführungsschaden und Verdienstschaden ohne Leistungsbestimmung einen Betrag von 2.800 EUR gezahlt hat und anschließend einen Termin mit dem Ziel einer abschließenden Regulierungsvereinbarung angeboten hat. Gerade unter Berücksichtigung dieses Verhandlungszieles lag keine Interessenlage der Haftpflichtversicherung vor, aus der ein Haftungsanerkenntnis dem Grunde nach entnommen werden könnte.“
Rz. 554
Stellt jemand die Behauptung auf, durch ein Haftpflichtgeschehen physisch oder psychisch beeinträchtigt/verletzt worden zu sein, folgt nicht bereits aus dem außergerichtlichen Regulierungsverhalten des Schadensersatzpflichtigen (oder seines Haftpflichtversicherers) zwingend ein Anerkenntnis oder Geständnis (§ 288 ZPO). Grundsätzlich bedarf es für ein Geständnis (§§ 288 Abs. 1, 289 Abs. 2 ZPO) einer ausdrücklichen Erklärung des Inanspruchgenommenen, die Ursächlichkeit des Unfalls für die vom Geschädigten geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht bestreiten zu wollen. Zwar kann sich ein gerichtliches Geständnis auch aus dem Prozessvortrag ergeben; dabei ist der Prozessvortrag auch in seiner Gesamtheit zu würdigen.
Rz. 555
Auch die haftungsbegründende Kausalität einer zunächst in der Korrespondenz und außergerichtlichen Regulierung nicht ausdrücklich streitig gestellten "Grundverletzung" kann durchaus in einem anschließenden Prozess dann in die Beweislast des eine Verletzung Behauptenden gestellt werden.