Rz. 441
§ 277 BGB – Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten
Wer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, ist von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit.
§ 1664 BGB – Beschränkte Haftung der Eltern
(1) |
Die Eltern haben bei der Ausübung der elterlichen Sorge dem Kind gegenüber nur für die Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. |
(2) |
Sind für einen Schaden beide Eltern verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner. |
Rz. 442
Sind Eltern am Schadenfall ihres Kindes beteiligt, ist § 1664 BGB im Verhältnis des Kindes zu seinen Eltern nicht nur Verantwortungskorrektiv, sondern gleichzeitig auch Anspruchsgrundlage für etwaige Schadenersatzforderungen (Doppelfunktion). Soweit neben § 1664 BGB auch eine elterliche Haftung aus § 823 BGB in Betracht kommt, ist der Verschuldensmaßstab des § 277 weitgehend parallel anzuwenden. Die Haftungsprivilegierung in § 1664 Abs. 1 BGB bedeutet keine Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz; vielmehr haftet, nach Maßgabe des eigenen (subjektiven) Sorgfaltsmaßstabs, jeder Elternteil auch für leichte bzw. einfache Fahrlässigkeit; es gilt (im Bereich leichter/einfacher Fahrlässigkeit) ein subjektiver, konkreter Maßstab (sog. "culpa in concreto").
Rz. 443
Für die Betrachtung der eigenen Haftung gegenüber dem Kind ist jedes Elternteil getrennt zu betrachten. Trifft z.B. nur den Vater der Vorwurf, haftet dieser nur allein (gegebenenfalls neben einem weiteren Mittäter, z.B. bei Aufsichtsverletzung mit einem Autofahrer). Haben beide Elternteile versagt, haften sie gesamtschuldnerisch ihrem Kind gegenüber (§ 1664 Abs. 2 BGB).
Rz. 444
Die Haftungsbeschränkung auf eigenübliche Sorgfalt (§ 277 BGB) gilt grundsätzlich auch bei Deliktsansprüchen, ferner auch im Fall der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr, nicht aber, wenn die Verletzung des Kindes durch die Eltern bei der Führung ihres Kfz erfolgte. § 1664 BGB gilt auch für Schäden aus Verletzung der Aufsichtspflicht gegenüber dem Kind.
Rz. 445
Für die Anwendung des § 1664 BGB ist wie folgt zu differenzieren:
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Soweit es um fremdbestimmte Gefahrenkreise (außerhalb der Privatsphäre, z.B. im Straßenverkehr) geht, gilt der "normale Haftungsmaßstab" (§ 276 BGB). |
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Ereignet sich ein Haftpflichtgeschehen im selbstbestimmten Gefahrenkreis (hauptsächlich innerhalb des Hauses/Grundstückes, Privatsphäre), kommt es zur Privilegierung durch § 1664 BGB. |