Rz. 387
Mitverantwortung der Eltern im Vorfeld bzw. bei der Schadenentstehung ist nur ausnahmsweise von Belang.
(aa) Grundsatz
Rz. 388
Die Mitverschuldenszurechnung (§§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB) setzt für Anspruchskürzung ein vor dem Haftpflichtgeschehen bereits bestehendes Sonderrechtsverhältnis zwischen Kind und Schädiger voraus (dazu Rdn 399 ff.). Bei einem Haftpflichtgeschehen entsteht ein Sonderrechtsverhältnis häufig erst mit dem Unfall. Der Mithaftungseinwand ist nicht auf vertragliche Ansprüche beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf konkurrierende Anspruchsnormen (z.B. § 823 BGB).
Rz. 389
Ein Mitverschulden des gesetzlichen Vertreters schon bei der Schadenentstehung (§ 254 Abs. 1 BGB) hat sich das Kind auf seine Schadensersatzansprüche nicht unmittelbar anrechnen zu lassen. Ein Aufsichtspflichtversagen seiner Eltern ist dem deliktsunfähigen Kind nicht anspruchsmindernd gegenzurechnen. Es besteht dann vielmehr gesamtschuldnerische Haftung von gesetzlichem Vertreter (z.B. Vater) und weiterem Schädiger (z.B. Autofahrer).
(bb) (Unterlassene) Vorsorgemaßnahmen
Rz. 390
Die elterliche Personensorge umfasst auch die Aufgabe, das Kind an die Gefahren des Alltags Stück für Stück heranzuführen (vgl. § 1631 Abs. 1, 1626 Abs. 2 BGB). Aus unsorgfältigem Gefahrenunterricht (z.B. Verkehrsunterricht) lässt sich in der Praxis aber ein haftungsrechtlich relevanter Vorwurf nur selten herauskristallisieren.
Rz. 391
Die anzulegenden Maßstäbe sind einem Wandel unterworfen: Dasjenige, was gestern nicht gefordert werden konnte ist heute selbstverständlich. Wie beim Mitverschulden gilt, dass nicht entscheidend gesetzliche Vorgaben sind, sondern das Sich-Herausbilden der Einsicht, dass bestimmtes Verhalten zur Gefahrenabwehr oder -minimierung doch Sinn macht. Zur Verdeutlichung: Wenn Eltern das Nutzen von Schutzmechanismen (wie Fahrradhelm, Reithelm, Skihelm; Gelenk-/Wirbelschutz beim Skaten oder Wintersport; Schienbeinschoner beim Ballsport) zugunsten von Kindern nicht nachhaltig anmahnen, kann dieses die bei einem anschließenden Schadenfall eintretenden Verletzungen vergrößern.
Rz. 392
Gleichwohl bleiben einem schuldunfähigen Kind (je nachdem, ob der Täter mit einem Kfz oder unmotorisiert handelte, ab dem 7. oder dem 10. Lebensjahr) seine Ersatzansprüche ungekürzt erhalten; Eltern handeln i.d.R. nicht im Rahmen eines Sonderrechtsverhältnisses i.S.v. § 254 Abs. 2 S. 2 BGB (dazu Rdn 399 ff.). Zu prüfen ist dann aber eine eigene Verantwortlichkeit nach § 1664 BGB (mit daran anknüpfendem Gesamtschuldnerinnenausgleich zwischen Eltern und Täter; dazu Rdn 442 ff.).