Rz. 1147

Der Vorbehalt muss möglichst exakt umschrieben sein.[1180] Vor allem Formulierungen wie "bei erheblicher Verschlechterung", "bei Verschlimmerung" verursachen Probleme bei einer späteren Regulierung und sind daher nicht zu verwenden.

 

Rz. 1148

Für den Erklärungsinhalt eines Abgeltungsvergleiches ist gleichgültig, wer (wie Anspruchsteller selbst, sein Anwalt oder der Regulierungsbeauftragte des Ersatzpflichtigen) den Vorbehalt in den Vergleichstext geschrieben hat.[1181]

 

Rz. 1149

Werden "immaterielle Ansprüche nach BGH-Rechtsprechung"[1182] “ vorbehalten, sollen nur vorbehalten sein "Ansprüche aufgrund unvorhergesehener und unvorsehbarer Spätfolgen" (ergänzend Rdn 1414 ff.).[1183] In seiner Entscheidung v. 8.7.1980 führt der BGH[1184] aus, dass weiteres Schmerzensgeld nur für solche Verletzungsfolgen verlangt werden könne,

 

Rz. 1150

Zitat

"die bei der ursprünglichen Bemessung des immateriellen Schadens noch nicht eingetreten waren oder mit deren Eintritt nicht oder nicht ernstlich zu rechnen war. Nur wenn es sich um Verletzungsfolgen handelt, an die auch ein mit der Beurteilung des Ausmaßes und der voraussichtlichen weiteren Entwicklung eines unfallursächlichen Körperschadens des Verletzten beauftragter Sachverständiger nicht zu denken brauchte, die aber entgegen aller Wahrscheinlichkeit schließlich doch eingetreten sind, darf angenommen werden, dass sie vom Streit- und Entscheidungsgegenstand eines vorausgegangenen Schmerzensgeldprozesses nicht erfasst sind, ihrer Geltendmachung daher die Rechtskraft nicht entgegensteht."

 

Rz. 1151

Bei Abschluss des Vergleiches bereits absehbare Schäden erfasst der Vorbehalt nicht;[1185] diese sind vielmehr endgültig abgegolten. Eine Abänderung des Vergleiches ist nur ausnahmsweise möglich.

 

Rz. 1152

 

Übersicht 2.18: Vorbehalte in Abfindungserklärungen

Es empfiehlt sich eine klare Beschreibung, z.B.:[1186]

"Vorbehalten bleibt der Anspruch auf Ersatz künftigen Verdienstausfallschadens[1187] ab <15.6.2025>."

"Vorbehalten bleibt der Anspruch auf Ersatz künftigen Verdienstausfallschadens für den Fall, dass die unfallbedingte MdE dauerhaft[1188] 50 % übersteigt."[1189]

"Vorbehalten bleibt der Anspruch auf Ersatz künftigen Verdienstausfallschadens für den Fall, dass die unfallbedingte MdE für mindestens 24 Monate 50 % übersteigt."

"Vorbehalten bleibt der Anspruch auf Ersatz künftigen Verdienstausfallschadens für den Fall, dass die MdE[1190] unfallbedingt dauerhaft 50 % übersteigt,[1191] und zwar soweit kein Forderungsübergang auf Drittleistungsträger stattgefunden hat."

"… für den Fall der unfallbedingten[1192] Amputation des linken Fußes."

"Vorbehalten bleiben immaterielle Ansprüche für solche Verletzungsfolgen, die am <15.8.2023> noch nicht eingetreten und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar waren, d.h. mit denen nicht oder nicht ernstlich zu rechnen war."

 

Rz. 1153

Ein die Versteuerung vorbehaltender Abfindungsvergleich ist (jedenfalls vorsorglich) zu ergänzen um die Formulierung: "Der Geschädigte ist verpflichtet, sämtliche Steuervergünstigungen in Anspruch zu nehmen." (Rdn 1607).

 

Rz. 1154

 

Hinweis

Zu den Messgrößen (wie MdE, GdS) siehe Rdn 166 ff., zum Begriff der Dauerhaftigkeit siehe Rdn 1157 ff.

 

Rz. 1155

Ein Vorbehalt kann auch zeitlich befristet sein, z.B.:

"… für noch zwei Jahre ab <1.8.2025>."

"… bis zum <31.12.2030>."

 

Rz. 1156

Es kann angeraten werden, für die Beurteilung der Beeinträchtigungsgrenze (Neuverhandlung, wenn z.B. "MdE dauerhaft 50 % übersteigt") klarzustellen, dass zur Bestimmung eine hierfür geeignete Begutachtungsstelle (wie BG-Klinik, Gutachteninstitut, konkret benanntes Krankenhaus) einzuschalten ist und beispielsweise das Attest des Hausarztes[1193] nicht ausreicht.

[1180] Zur Auslegung eines Vorbehaltsvergleiches siehe u.a. OLG Hamm v. 25.4.1994 – 6 U 82/93 – NJW 1995, 790 = r+s 1995, 17.
[1181] OLG Jena v. 24.11.2004 – 4 U 399/04 – OLG-NL 2005, 54 = SVR 2005, 383 (Anm. Nehls).
[1182] Häufig ist BGH v. 8.7.1980 – VI ZR 72/79 – MDR 1981, 42 = NJW 1980, 2754 = VersR 1980, 975 gemeint (vgl. OLG Oldenburg v. 28.2.2003 – 6 U 231/01 – VersR 2004, 64 = zfs 2003, 590, BGH hat NZB zurückgewiesen, Beschl. v. 30.9.2003 – VI ZR 90/03). Ähnlich auch BGH v. 24.5.1988 – VI ZR 326/87 – DAR 1988, 311 = MDR 1988, 951 = NJW 1988, 2300 = NZV 1988, 99 = VersR 1988, 929 = VRS 75, 270; BGH v. 7.2.1995 – VI ZR 201/94 – BB 1995, 696 (nur Ls.) = DAR 1995, 250 = DB 1995, 2524 (nur Ls.) = MDR 1995, 357 = MedR 1995, 240 (nur Ls.) = NJW 1995, 1614 = NZV 1995, 225 = r+s 1995, 137 = VerkMitt 1995, Nr. 72 = VersR 1995, 471 = zfs 1995, 172; OLG Hamm v. 17.3.2015 – 28 U 208/13 – BeckRS 2015, 06911 = BRAK-Mitteilungen 2015, 165 (Anm. Grams) = GesR 2015, 291 = NJOZ 2015, 1576; OLG Jena v. 9.8.2006 – 7 U 289/06 – NJW-RR 2007, 605 = NJW-Spezial 2007, 605 = NZV 2007, 315 = r+s 2006, 527 = zfs 2007, 27 (Anm. Diehl).
[1183] Vgl. OLG Hamm v. 18.10.2000 – 13 U 115/00 – OLGR 2002, 67 = r+s 2001, 505; OLG Jena v. 9.8.2006 – 7 U 289/06 – NJW-RR 2007, 605 = NJW-Spezial 2007, 605 = NZV 2007, 315 = r+s 2006, 527...

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