Rz. 1147
Der Vorbehalt muss möglichst exakt umschrieben sein. Vor allem Formulierungen wie "bei erheblicher Verschlechterung", "bei Verschlimmerung" verursachen Probleme bei einer späteren Regulierung und sind daher nicht zu verwenden.
Rz. 1148
Für den Erklärungsinhalt eines Abgeltungsvergleiches ist gleichgültig, wer (wie Anspruchsteller selbst, sein Anwalt oder der Regulierungsbeauftragte des Ersatzpflichtigen) den Vorbehalt in den Vergleichstext geschrieben hat.
Rz. 1149
Werden "immaterielle Ansprüche nach BGH-Rechtsprechung" “ vorbehalten, sollen nur vorbehalten sein "Ansprüche aufgrund unvorhergesehener und unvorsehbarer Spätfolgen" (ergänzend Rdn 1414 ff.). In seiner Entscheidung v. 8.7.1980 führt der BGH aus, dass weiteres Schmerzensgeld nur für solche Verletzungsfolgen verlangt werden könne,
Rz. 1150
Zitat
"die bei der ursprünglichen Bemessung des immateriellen Schadens noch nicht eingetreten waren oder mit deren Eintritt nicht oder nicht ernstlich zu rechnen war. Nur wenn es sich um Verletzungsfolgen handelt, an die auch ein mit der Beurteilung des Ausmaßes und der voraussichtlichen weiteren Entwicklung eines unfallursächlichen Körperschadens des Verletzten beauftragter Sachverständiger nicht zu denken brauchte, die aber entgegen aller Wahrscheinlichkeit schließlich doch eingetreten sind, darf angenommen werden, dass sie vom Streit- und Entscheidungsgegenstand eines vorausgegangenen Schmerzensgeldprozesses nicht erfasst sind, ihrer Geltendmachung daher die Rechtskraft nicht entgegensteht."
Rz. 1151
Bei Abschluss des Vergleiches bereits absehbare Schäden erfasst der Vorbehalt nicht; diese sind vielmehr endgültig abgegolten. Eine Abänderung des Vergleiches ist nur ausnahmsweise möglich.
Rz. 1152
Übersicht 2.18: Vorbehalte in Abfindungserklärungen
Es empfiehlt sich eine klare Beschreibung, z.B.:
"Vorbehalten bleibt der Anspruch auf Ersatz künftigen Verdienstausfallschadens ab <15.6.2025>."
"Vorbehalten bleibt der Anspruch auf Ersatz künftigen Verdienstausfallschadens für den Fall, dass die unfallbedingte MdE dauerhaft 50 % übersteigt."
"Vorbehalten bleibt der Anspruch auf Ersatz künftigen Verdienstausfallschadens für den Fall, dass die unfallbedingte MdE für mindestens 24 Monate 50 % übersteigt."
"Vorbehalten bleibt der Anspruch auf Ersatz künftigen Verdienstausfallschadens für den Fall, dass die MdE unfallbedingt dauerhaft 50 % übersteigt, und zwar soweit kein Forderungsübergang auf Drittleistungsträger stattgefunden hat."
"… für den Fall der unfallbedingten Amputation des linken Fußes."
"Vorbehalten bleiben immaterielle Ansprüche für solche Verletzungsfolgen, die am <15.8.2023> noch nicht eingetreten und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar waren, d.h. mit denen nicht oder nicht ernstlich zu rechnen war."
Rz. 1153
Ein die Versteuerung vorbehaltender Abfindungsvergleich ist (jedenfalls vorsorglich) zu ergänzen um die Formulierung: "Der Geschädigte ist verpflichtet, sämtliche Steuervergünstigungen in Anspruch zu nehmen." (Rdn 1607).
Rz. 1154
Hinweis
Zu den Messgrößen (wie MdE, GdS) siehe Rdn 166 ff., zum Begriff der Dauerhaftigkeit siehe Rdn 1157 ff.
Rz. 1155
Ein Vorbehalt kann auch zeitlich befristet sein, z.B.:
"… für noch zwei Jahre ab <1.8.2025>."
"… bis zum <31.12.2030>."
Rz. 1156
Es kann angeraten werden, für die Beurteilung der Beeinträchtigungsgrenze (Neuverhandlung, wenn z.B. "MdE dauerhaft 50 % übersteigt") klarzustellen, dass zur Bestimmung eine hierfür geeignete Begutachtungsstelle (wie BG-Klinik, Gutachteninstitut, konkret benanntes Krankenhaus) einzuschalten ist und beispielsweise das Attest des Hausarztes nicht ausreicht.