Rz. 1291

Verdienstausfallansprüche (oder andere in regelmäßig wiederkehrender Höhe zu entrichtende Rentenbeträge), die einem Verletzten für die Zukunft zustehen, müssen ihm ohne Berücksichtigung etwaiger Sozialhilfeansprüche zuerkannt werden.[1320] Im Hinblick auf den Subsidiaritätscharakter der Sozialhilfe muss ein Geschädigter seinen Lebensbedarf zunächst aus dem Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger decken, bevor er auf die Sozialhilfe zurückgreifen kann.

 

Rz. 1292

Der Forderungsübergang auf den SHT erfolgt bereits, sobald infolge des schädigenden Ereignisses aufgrund konkreter Anhaltspunkte, insbesondere auch für eine Bedürftigkeit des Verletzten, mit der Leistungspflicht eines SHT zu rechnen ist. Erforderlich für den Rechtsübergang ist also, dass nach den konkreten Einzelfallumständen Sozialleistungen ernsthaft in Betracht zu ziehen sind.[1321] Zugleich hat der BGH[1322] den Schutz des Schadenersatzverpflichteten nach §§ 407 Abs. 1, 412 BGB (gutgläubige Leistung an einen Nichtberechtigten) drastisch eingeschränkt: An die Kenntnis des Forderungsüberganges seien "nur maßvolle Anforderungen zu stellen, um den Schutz der sozialen Leistungsträger nicht durch die Behauptung fehlenden Wissens vom Gläubiger unterlaufen zu können".

 

Rz. 1293

Unterfällt der Schadenfall der Zuständigkeit eines UVT, sind (auch spätere) Leistungen eines SHT regelmäßig nicht wahrscheinlich.[1323] Jedenfalls erfolgt ein Forderungswechsel zum SHT nicht im Unfallzeitpunkt, da sich noch keine konkreten Fallumstände für die Eintrittspflicht eines SHT abzeichnen. Die Abfindung des UVT schließt Ansprüche des SHT aus, da dann von Gesamtgläubigerschaft auszugehen ist.

 

Rz. 1294

Die Voraussehbarkeit hat sich auch zugleich auf die (u.U. erst künftig eintretende) Bedürftigkeit der geschädigten Person zu erstrecken.[1324]

 

Rz. 1295

Ein rechtskräftiges, vom Geschädigten erstrittenes Feststellungsurteil wirkt ebenso wie ein titelersetzendes Anerkenntnis auch zugunsten – aber auch zulasten – des SHT (ergänzend Rdn 1251).[1325]

 

Rz. 1296

Für den Lauf der Verjährung gegenüber dem SHT kommt es nicht auf den (i.d.R. recht frühen) Kenntnisstand des Geschädigten an, sondern (zur Vermeidung einer Schlechterstellung des SHT gegenüber einem SVT) auf die Kenntnis des beim SHT regressbefugten Sachbearbeiters (§ 5 Rdn 503 ff.).[1326]

 

Rz. 1297

Trotz Forderungsüberganges auf den SHT verbleibt dem unmittelbar Geschädigten die Ermächtigung, vom Schädiger die Forderungen für den SHT geltend zu machen (und in Prozessstandschaft für den SHT die Forderung einzuklagen) und die Ersatzleistung einzufordern (Nachrang der Sozialhilfe), um im Umfang des Anspruchs seine eigene Hilfebedürftigkeit zu vermeiden; denn nach dem Nachrangprinzip (§ 2 BSHG a.F., § 2 SGB XII) erhält keine Sozialhilfe, wer sich selbst helfen kann (Rdn 1252).

 

Rz. 1298

Die Rechtsprechung zur Einziehungsermächtigung bezieht sich ausschließlich auf den Forderungsübergang auf einen Träger der Sozialhilfe (Rdn 63 und Rdn 1253; § 3 Rdn 208).

[1320] BGH v. 3.3.1998 – VI ZR 385/96 – DAR 1998, 231 = EWiR 1998, 393 (Anm. Grunsky) = MDR 1998, 595 = NJW 1998, 1634 = NZV 1998, 279 = r+s 1998, 196 = SP 1998, 241 = VersR 1998, 772 = zfs 1998, 210; BGH v. 4.3.1997 – VI ZR 243/95 – MDR 1997, 937 = NJW 1997, 2943 = NZV 1997, 302 = r+s 1997, 371 = SP 1997, 245 = VersR 1997, 751 = VRS 97, 269 = zfs 1997, 250.
[1321] BGH v. 4.3.1997 – VI ZR 243/95 – MDR 1997, 937 = NJW 1997, 2943 = NZV 1997, 302 = r+s 1997, 371 = SP 1997, 245 = VersR 1997, 751 = VRS 97, 269 = zfs 1997, 250; BGH v. 9.7.1996 – VI ZR 5/95 – BGHZ 133, 192 = EWiR 1996, 899 (nur Ls.) (Anm. Plagemann) = FamRZ 1996, 1211 (nur Ls.) = HVBG-Info 1996, 2315 = JR 1997, 192 (Anm. Schmitt) = MDR 1996, 1120 = NJW 1996, 2933 = NJWE-VHR 1996, 213 = NJW-RR 19966, 1365 (nur Ls.) = NVwZ 1996, 1245 (nur Ls.) = NZV 1996, 445 = r+s 1996, 398 = SGb 1997, 343 (Anm. Wank) = SP 1996, 345 = VerkMitt 1997, Nr. 44 = VersR 1996, 1258 (Anm. Rischar, VersR 1998, 27) = VRS 92, 93 = WI 1996, 171; BGH v. 25.6.1996 – VI ZR 117/95 – BGHZ 133, 129 = NJW 1996, 2508 = NZV 1996, 402 = r+s 1996, 404 = SP 1996, 312 = VersR 1996, 1126 = VRS 92, 85 = zfs 1996, 140; BGH v. 13.2.1996 – VI ZR 318/94 – BGHZ 132, 39 = DAR 1996, 357 = JR 1996, 505 (Anm. Fuchs) = LM BGB § 844 Abs. 2, Nr. 93 = MDR 1996, 799 = NJW 1996, 1674 = NVwZ 1996, 824 = NZV 1996, 229 = r+s 1996, 311 = SGb 1996, 328 = SP 1996, 168 = VersR 1996, 649 = VRS 91, 267; BGH v. 12.12.1995 – VI ZR 271/94 – BGHZ 131, 274 = NJW 1996, 726 = NZV 1996, 110 = r+s 1996, 102 = SP 1996, 79 = VersR 1996, 349 = WI 1996, 34 = zfs 1996, 90.
[1322] BGH v. 12.12.1995 – VI ZR 271/94 – BGHZ 131, 274 = NJW 1996, 726 = NZV 1996, 110 = r+s 1996, 102 = SP 1996, 79 = VersR 1996, 349 = zfs 1996, 90; OLG München v. 13.5.2011 – 10 U 4762/10 – BeckRS 2011, 12189 = NJOZ 2011, 1046 = UV-Recht Aktuell 2011, 744.
[1323] OLG Hamm v. 23.11.2020 – 6 U 27/19 – BeckRS 2020, 38843 = jurisPR-VerkR 9/2021 (Anm. Lang) = r+s 2021, 177 = VersR 2021, 991.

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