Rz. 898
Rz. 899
§ 43a BRAO – Grundpflichten (ab 1.8.2022)
(1) |
Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden. |
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(…) |
(4) |
1Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. 2Das Tätigkeitsverbot gilt auch für Rechtsanwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Rechtsanwalt ausüben, der nach Satz 1 nicht tätig werden darf. 3Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 2 bleibt bestehen, wenn der nach Satz 1 ausgeschlossene Rechtsanwalt die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. 4Die Sätze 2 und 3 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Mandanten der Tätigkeit des Rechtsanwalts nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit des Rechtsanwalts sicherstellen. 5Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 4 erfüllt sind. 6Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots nach Satz 1 oder Satz 2 erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Rechtsanwalt auch ohne Einwilligung des Mandanten offenbart werden. |
(5) |
1Abs. 4 Satz 1 gilt entsprechend für die Tätigkeit als Referendar im Vorbereitungsdienst im Rahmen der Ausbildung bei einem Rechtsanwalt. 2Abs. 4 Satz 2 ist nicht anzuwenden, wenn dem Tätigkeitsverbot nach Abs. 4 Satz 1 eine Tätigkeit als Referendar nach Satz 1 zugrunde liegt. |
(6) |
Abs. 4 Satz 1 gilt entsprechend für ein berufliches Tätigwerden des Rechtsanwalts außerhalb des Anwaltsberufs, wenn für ein anwaltliches Tätigwerden ein Tätigkeitsverbot nach Abs. 4 Satz 1 bestehen würde. |
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(…) |
§ 43a BRAO – Grundpflichten (bis 31.7.2022)
(1) |
Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden. |
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(…) |
(4) |
Der Rechtsanwalt darf keine widerstreitenden Interessen vertreten. |
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(…) |
Rz. 900
Mit der BRAO-Reform zum 1.8.2022 wurde § 43a Abs. 4 BRAO a.F., der das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen regelt, geändert.
Rz. 901
Der Anwalt hat über die Gefahr kollidierender Interessen zu beraten.
Rz. 902
Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot führt i.d.R. dann nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, wenn das Verbot dispositiv ist, also von den Parteien einverständlich abbedungen werden kann. Dispositive Verbote verlangen nicht nach einer grundsätzlichen Nichtigkeitssanktion. Können die Parteien aber nicht über den Bestand des Verbotes verfügen, bleibt es bei der Nichtigkeit.
Rz. 903
Ein Anwaltsvertrag, mit dessen Abschluss der Rechtsanwalt gegen das Verbot verstößt, widerstreitende Interessen zu vertreten, ist nichtig. Verträge, die gegen die berufsrechtlichen Tätigkeitsverbote des § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO (rechtsbesorgende Tätigkeit in derselben Angelegenheit), des § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO (Tätigwerden in derselben Rechtssache u.a. als Richter, Staatsanwalt, Angehöriger des öffentlichen Dienstes, Notar) und das Tätigkeitsverbot des § 43a Abs. 4 BRAO (Vertretung bei widerstreitenden Interessen) verstoßen, sind gemäß § 134 BGB nichtig. Es reicht, dass der Tatbestand der Verbotsnorm objektiv erfüllt ist, ein Verschulden des Rechtsanwalts ist nicht erforderlich; es kommt nicht darauf an, ob dem Kläger zum Zeitpunkt der Übernahme der Mandate die Verbotswidrigkeit seines Handelns bewusst war. Der Schutzzweck dieser Verbote (Schutz des Vertrauens in die Rechtspflege und die Eindämmung von Interessenkollisionen) liefe weitgehend leer, wenn der Anwalt aus seiner verbotswidrigen Tätigkeit eine Vergütung beanspruchen könne. Ist ein Anwaltsvertrag nichtig, weil der Rechtsanwalt mit dem Abschluss des Vertrags gegen das Verbot verstößt, widerstreitende Interessen zu vertreten, ist ein Bereicherungsanspruch für Leistungen des Rechtsanwalts ausgeschlossen, wenn der Anwalt vorsätzlich gegen das Verbot verstoßen oder sich der Einsicht in das Verbotswidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat.
Rz. 904
Ein Anwaltsvertrag verstößt nicht schon deshalb gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, weil der Anwalt im Gebühreninteresse für den Mandanten nachteilige Maßnahmen treffen könnte.
Rz. 905
Vertritt ein Anwalt bei der Verfolgung von Unterhaltsschäden nach dem Tod eines Familienvaters sowohl die Witwe als auch die unterhaltsberechtigten Waisen, kann eine Interessenkollision vorliegen. Dies gilt z.B. im Hinblick auf die Verteilung des Einkommens und der fixen Kosten, die zu einer unterschiedlichen Anspruchsberechtigung führen.
Rz. 906
Der berufsrechtliche Verstoß hat auch Auswirkungen auf die konkrete Schadensabwicklung. Der Vertrag zwischen Anwalt und Mandant beruht auf einem Rechtsverstoß, was wiederum zur Nichtigkeit des zwischen Mandanten und Anwalt bestehenden Vertrages führt (§ 134 BGB).