Rz. 1425
Nur wenn zum einen ein unzumutbares Missverhältnis zwischen unvorhergesehenem Spätschäden und Abfindungsbetrag besteht, und zum anderen die eingetretenen Veränderungen nicht in den Risikobereich des Geschädigten fallen, kann im Ausnahmefall eine Anpassung des Vergleiches in Betracht kommen.
Rz. 1426
Übersicht 2.21: Prüfraster zur Abänderung (kumulative Voraussetzungen)
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Unvorhergesehener Schaden, (dazu Rdn 1427 ff.); |
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außerhalb der eigenen Risikosphäre, (dazu Rdn 1432 ff.); |
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unzumutbares Missverhältnis, (dazu Rdn 1397 ff., 1434 ff.); |
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keine Verjährung (dazu Rdn 1438 ff.). |
aa) Unvorhergesehener Schaden
Rz. 1427
Ist die Möglichkeit von Spätschäden schon bei Vergleichsabschluss bedacht worden, entfällt bereits von daher eine Nachbesserung; es realisiert sich schlicht das Risiko. Ist der Vergleich gerade auf der Grundlage einer nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung geschlossen worden, fällt es klar in den Risikobereich des Verletzten, wenn eine neurologische Nachbegutachtung, auf die er mit Annahme der Zahlung verzichtet hat, später gravierendere Schäden ergeben haben sollte, als bei Vergleichsschluss angenommen worden waren.
Rz. 1428
Haben Geschädigter und Schädiger in einem Vergleich vereinbart, dass durch den Vergleich "alle Schadensersatzansprüche aus dem Unfallereignis/Schadenereignis, unabhängig davon, ob diese bekannt oder unbekannt, voraussehbar oder nicht voraussehbar sind, endgültig und vollständig abgefunden sind", und haben sie damit nach dem Wortlaut und Sinn des Vergleiches die Schadensersatzansprüche des Geschädigten aus dem Unfallereignis endgültig erledigen und auch unvorhergesehene Schäden mit bereinigen wollen, muss der Geschädigte, wenn er dennoch von diesem Abfindungsvergleich abweichen und Nachforderungen stellen möchte, dartun, dass ihm ein Festhalten am Vergleich nach Treu und Glauben nicht mehr zumutbar ist, weil entweder die Geschäftsgrundlage für den Vergleich weggefallen ist bzw. sich geändert hat, so dass eine Anpassung an die veränderten Umstände erforderlich erscheint, oder weil nachträglich erhebliche Äquivalenzstörungen in den Leistungen der Parteien eingetreten sind, die für den Kläger nach den gesamten Umständen des Falles eine ungewöhnliche Härte bedeuten.
Rz. 1429
Abweichend vom Grundsatz, dass ein Vergleich auch dann Bestand hat, wenn sich der Gesundheitszustand des Verletzten bessert oder verschlechtert, kann der Verletzte dann Aufhebung des Vergleiches verlangen, wenn nach Abschluss des Vergleiches Umstände auftreten, die außerhalb menschlicher Erkenntnis und Voraussicht liegen.
Rz. 1430
Nur für Spätfolgen, die nicht voraussehbar waren, weil sie nach anscheinend leichten Verletzungen später unerwartet auftreten, kann überhaupt eine Nachbesserung in Betracht kommen. Ein Blick in die vor dem Vergleichsabschluss eingeholten Arztberichte und Gutachten zeigt dabei häufig, dass ärztlicherseits auf entsprechende später mögliche Folgen schon hingewiesen wurde.