aa) Anspruchsgrundlage
Rz. 1087
Für den ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner kommen folgende Anspruchsgrundlagen in Betracht:
Rz. 1088
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Erstens der originäre Regressanspruch aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, der gleichzeitig mit der Gesamtschuld entsteht (Rdn 1116 ff.), |
Rz. 1089
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zweitens der zur Bestärkung des Regressrechts des Ausgleichsberechtigten kraft Gesetzes übergehende Anspruch des Schadenersatzgläubigers gegen die anderen Gesamtschuldner nach § 426 Abs. 2 BGB (§ 426 Abs. 2 BGB ähnelt der Struktur des § 86 VVG) (Rdn 1122 ff.); |
Rz. 1090
▪ |
drittens der außerhalb der Gesamtschuld stehende vertragliche oder gesetzliche Ansprüche (z.B. aus GoA oder Bereicherung zwischen dem ausgleichsberechtigten und den anderen Gesamtschuldnern). |
Rz. 1091
Diese außerhalb der Gesamtschuld stehenden Ansprüche können in Anspruchskonkurrenz zum originären Anspruch nach § 426 Abs. 1 BGB und dem nach § 426 Abs. 2 BGB übergegangenen Anspruch eine dritte Anspruchsgrundlage bilden. Ihnen kommt vor allem die Wirkung zu, das Maß der offenen Regel des § 426 Abs. 1 BGB abweichend von der kopfteiligen Haftung zu bestimmen.
bb) Eigenständige Ansprüche
Rz. 1092
Der übergegangene Anspruch (§ 426 Abs. 2 BGB) und der selbstständige (originäre) Regressanspruch (§ 426 Abs. 1 BGB) sind (nebeneinander bestehende) eigenständige Ansprüche, die auf unterschiedlichen Rechtsgründen beruhen und verschiedene Voraussetzungen haben (Rdn 1116 ff.).
Rz. 1093
Darum kann der ausgleichspflichtige dem ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner – anders als bei dem nach § 426 Abs. 2 BGB übergegangenen Anspruch – keine Einreden aus seinem Rechtsverhältnis zu dem Gläubiger entgegenhalten. Der Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB wird i.d.R. von Einreden und Einwendungen gegen den übergegangenen Anspruch nicht berührt (Rdn 1117 ff.).
Rz. 1094
Auch finden die für Patienten geltenden Beweiserleichterungen bei Geltendmachung eines übergeleiteten Anspruchs im Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 2 BGB Anwendung.
cc) Einzelschuld – Gesamtschuld
Rz. 1095
Die rechtliche Situation soll beispielhaft an einem medizinischen (allgemein betrachtet unter Einbeziehung z.B. des Personals und pflegerischer Aufgaben) Fehlverhalten im Anschluss an ein vorangegangenes Haftpflichtgeschehen (wie Verkehrsunfall) verdeutlicht werden. Dies stellt einen Hauptanwendungsfall in der Regulierungspraxis dar.
Rz. 1096
Ist ein Arztfehler auch von einem Erstschädiger kausal mitzuverantworten, verantwortet der Erstschädiger bis zum nachfolgenden (fehlerhaften) Eingreifen der Mediziner den Schaden (mit seinen konkreten späteren Folgen) als Einzelschuldner.
Rz. 1097
Erst ab dem Zeitpunkt des Fehlverhaltens der Mediziner kommt es (dem Grunde nach) zu einer Gesamtschuld, die dann aber zur Höhe genau zu betrachten ist. Schwerpunkt ist die Abgrenzung der Eintrittspflicht des Mediziners zu Sowieso-Schäden aus der Primärschädigung (mit den daraus resultierenden Folgen) des primär Schädigenden (z.B. Autofahrer).
Rz. 1098
Beispiel 2.10
B verursacht einen Verkehrsunfall, bei dem AS verletzt wird (u.a. multiple Frakturen).
AS wird nach dem Unfall mit B in ein Krankenhaus (KH) eingeliefert. Aufgrund einer medizinischen Falschbehandlung im Krankenhaus wird der Schaden vergrößert (z.B. apallisches Syndrom).
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Einzelschuld des B |
Gesamtschuld von B und KH |
1. Unfall B |
Folgen aufgrund Frakturen pp. |
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2. Arztfehler KH |
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apallisches Syndrom |
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↖ Unfalltag |
↖ Fehlbehandlung |
↗ Tod |
Außenverhältnis |
Ersatz durch |
Ersatz durch |
Ersatz durch |
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1. Schädiger B |
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2. Schädiger KH |
Innenverhältnis |
Ersatz durch |
Ersatz durch |
Ersatz durch |
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1. Schädiger B |
1. Schädiger B |
1. Schädiger B, es sei denn: Kausalitätsunterbrechung |
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2. Schädiger KH aber nur, soweit Schaden-/Kostenvergrößerung |
2. Schädiger KH |