Rz. 1025
Da der Forderungsübergang auf Arbeitsverwaltung und SHT in Schadenfälle ab dem 1.7.1983 zu einem Zeitpunkt erfolgt, den in der täglichen Praxis kaum jemand voraussehen kann ("Orakel"), ist die außergerichtliche Regulierung von Unfallschäden für den Schadenersatzleistenden mit einem erheblichem Risiko behaftet, wenn beide Parteien (Verletzter, Ersatzpflichtiger) eine in die Zukunft gerichtete Erledigung gemeinsam anstreben oder der Verletzte auf einer Kapitalisierung besteht.
Rz. 1026
Hervorzuheben ist eine Besonderheit für diejenigen Leistungsträger, deren Sozialleistungen eben nicht an das Vorbestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses anknüpfen (wie Arbeitsverwaltung und Sozialamt). Der Forderungsübergang findet dann statt, wenn und soweit infolge des schädigenden Ereignisses aufgrund konkreter Anhaltspunkte künftige Sozialleistungen (z.B. Rehabilitationsmaßnahmen) ernsthaft in Betracht kommen.
(1) Sozialhilfe
(a) Forderungsübergang
Rz. 1027
Verdienstausfallansprüche (oder andere in regelmäßig wiederkehrender Höhe zu entrichtende Rentenbeträge), die einem Verletzten für die Zukunft zustehen, müssen ihm ohne Berücksichtigung etwaiger Sozialhilfeansprüche zuerkannt werden.[889] Im Hinblick auf den Subsidiaritätscharakter der Sozialhilfe muss ein Geschädigter seinen Lebensbedarf zunächst aus dem Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger decken, bevor er auf die Sozialhilfe zurückgreifen kann.
Rz. 1028
Der Forderungsübergang auf den SHT erfolgt bereits, sobald infolge des schädigenden Ereignisses aufgrund konkreter Anhaltspunkte, insbesondere auch für eine Bedürftigkeit des Verletzten, mit der Leistungspflicht eines SHT zu rechnen ist. Erforderlich für den Rechtsübergang ist also, dass nach den konkreten Einzelfallumständen Sozialleistungen ernsthaft in Betracht zu ziehen sind.[890] Zugleich hat der BGH[891] den Schutz des Schadenersatzverpflichteten nach §§ 407 Abs. 1, 412 BGB (gutgläubige Leistung an einen Nichtberechtigten) drastisch eingeschränkt: An die Kenntnis des Forderungsüberganges seien "nur maßvolle Anforderungen zu stellen, um den Schutz der sozialen Leistungsträger nicht durch die Behauptung fehlenden Wissens vom Gläubiger unterlaufen zu können".
Rz. 1029
Unterfällt der Schadenfall der Zuständigkeit eines UVT, sind (auch spätere) Leistungen eines SHT regelmäßig nicht wahrscheinlich. Jedenfalls erfolgt ein Forderungswechsel zum SHT nicht im Unfallzeitpunkt, da sich noch keine konkreten Fallumstände für die Eintrittspflicht eines SHT abzeichnen. Die Abfindung des UVT schließt Ansprüche des SHT aus, da dann von Gesamtgläubigerschaft auszugehen ist.
Rz. 1030
Die Voraussehbarkeit hat sich auch zugleich auf die (u.U. erst künftig eintretende) Bedürftigkeit der geschädigten Person zu erstrecken.[892]
Rz. 1031
Ein rechtskräftiges, vom Geschädigten erstrittenes Feststellungsurteil wirkt ebenso wie ein titelersetzendes Anerkenntnis auch zugunsten – aber auch zulasten – des SHT (siehe ergänzend Rdn 1000).[893]
Rz. 1032
Für den Lauf der Verjährung gegenüber dem SHT kommt es nicht auf den (i.d.R. recht frühen) Kenntnisstand des Geschädigten an, sondern (zur Vermeidung einer Schlechterstellung des SHT gegenüber einem SVT) auf die Kenntnis des beim SHT regressbefugten Sachbearbeiters (siehe § 5 Rdn 427 ff.).[894]
Rz. 1033
Trotz Forderungsüberganges auf den SHT verbleibt dem Geschädigten die Ermächtigung, vom Schädiger die Ersatzleistung einzufordern (Nachrang der Sozialhilfe).
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