Rz. 722
An der Erforderlichkeit einer Betreuerbestellung fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1814 Abs. 3 S. 2 BGB [§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB a.F.]). Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen. Die im Zeitpunkt einer noch vorhandenen Geschäftsfähigkeit geäußerte Absicht eines Betroffenen, eine erteilte (Vorsorge-)Vollmacht zu widerrufen, kann für sich genommen die Erweiterung des Aufgabenkreises eines Betreuers auf den Widerruf von Vollmachten nicht rechtfertigen.
Rz. 723
Unfall, Krankheit oder Alter können dazu führen, dass Personen wichtige Angelegenheiten ihres Lebens nicht mehr selbstverantwortlich regeln können. Eine Vollmacht umschreibt das rechtliche Können der bevollmächtigten Person im Außenverhältnis, d.h. ihre Befugnis, Rechtsgeschäfte im Namen des Vollmachtgebers vorzunehmen. Mit einer Vollmacht kann eine andere Person auch "zur Vertretung in allen Angelegenheiten" (Generalvollmacht) ermächtigt werden.
Rz. 724
Für eine Vollmachterteilung (und deren Rücknahme) muss der Vollmachtgeber im Zeitpunkt seiner Erklärung geschäftsfähig sein. Für eine Vorsorgevollmacht, die zunächst einmal Vertretung in bestimmten Notsituationen erfassen soll, reicht aus, dass der Vollmachtgeber partiell geschäftsfähig ist, also noch erfassen kann, welche Auswirkungen das Ausstellen einer Vollmacht hat.
Rz. 725
Von der Vollmacht zu unterscheiden ist eine Betreuungsverfügung, die nicht zur Vertretung bei Rechtsgeschäften berechtigt. In ihr werden vielmehr Wünsche festgelegt für den Fall, dass ein Betreuer bestellt werden muss (weil beispielsweise keine Vorsorgevollmacht erteilt wurde).
Rz. 726
Eine Vorsorgevollmacht steht der Bestellung eines Betreuers dann nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet erscheint, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen. Lässt sich die Gefahr für das Wohl des Betroffenen durch die Bestellung eines Kontrollbetreuers nach §§ 1815 Abs. 3, 1820 Abs. 3 BGB nicht hinreichend abwenden, ist eine Vollbetreuung einzurichten.
Rz. 727
Die Einrichtung einer Betreuung trotz bestehender Vorsorgevollmacht kann erforderlich sein, wenn Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmachterteilung oder am Fortbestand der Vollmacht bestehen, die geeignet sind, die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr und damit die Wahrnehmung von Rechten des Betroffenen durch den Bevollmächtigten zu beeinträchtigen. Eine Betreuung kann trotz Vorsorgevollmacht dann geboten sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen; insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. Letzteres ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte wegen erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheint.
Rz. 728
Eine Vorsorgevollmacht kann geeignet sein, ohne Zustimmung des Betreuungs-/Familiengerichtes einen Prozess wegen einer Schadensersatzforderung anzustrengen. Der Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches ohne "richterlichen Vorschlag" bedarf im Zweifel dann aber der Genehmigung auch des Betreuungs-/Familiengerichtes.