(1) Parallele Haftung Mehrerer
Rz. 427
Das für eine Mitverschuldenszurechnung (§§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB) erforderliche Sonderrechtsverhältnis zwischen Kind und Schädiger entsteht bei einem Haftpflichtgeschehen regelmäßig erst mit dem Unfall (siehe Rdn 448 ff.).
Rz. 428
Fehler der Eltern, die zum Schadenfall des Kindes beitragen, sind zwar für die Abwicklung der Ansprüche des Kindes grundsätzlich nicht relevant. Zu beachten ist die Mitursächlichkeit aber für die Abwicklung der Ansprüche von Drittleistungsträgern und für den Rückgriff gegenüber den Eltern als weitere Gesamtschuldner (Einwand der gestörten Gesamtschuld).
Rz. 429
Praxisrelevant sind Verkehrsunfälle (z.B. Kollision mehrerer Fahrzeuge) mit mehreren Beteiligten, aber auch Aufsichtspflichtdefizite der Eltern (wie Schwatz am Straßenrand; unbeaufsichtigtes Spiel).
(2) Nasciturus
(a) Verletzung der Mutter vor Schwangerschaft
Rz. 430
Dem geschädigt zur Welt gekommenen Kind (z.B. Infektion [wie Hepatitis, Aids] der Kindesmutter vor Zeugung) stehen selbst dann zivilrechtlich Ansprüche zu, wenn es zur Zeit der gegen seine Mutter begangenen Verletzungshandlung noch nicht einmal als Leibesfrucht existent war.
Rz. 431
Anderes gilt im Fall des § 12 SGB VII. Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehen i.d.R. nicht.
(b) Gesetzliche Unfallversicherung
Rz. 432
Wird der Nasciturus anlässlich einer unfallversicherten Tätigkeit der Mutter verletzt (z.B. anlässlich eines Arbeits- oder Arbeitswegeunfalls, aber auch im Fall des § 11 SGB VII), ist auch die Leibesfrucht durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt.
Rz. 433
Ein unfallkausal behindert zur Welt kommende Kind erhält Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 12 SGB VII; § 30 Abs. 1 S. 2 BeamtVG). Das gilt allerdings nicht für Schädigungen des Kindes, die auf vor der Zeugung eingetretene Ereignisse (z.B. Berufserkrankung; infizierte Blutkonserve) zurückzuführen sind.
Rz. 434
Eine die Mutter erfassende Haftungsprivilegierung erstreckt sich auch auf den Nasciturus (§§ 104 Abs. 2, 105 Abs. 1 S. 3 SGB VII). Die Regressnahme nach § 110 SGB VII umfasst dann die Aufwendungen für das überlebend, aber krank, geborene Kind. Gleiches gilt im Beamtenrecht (§ 46 BeamtVG).
(c) Mitverantwortung der Mutter
Rz. 435
Der unmittelbare Gesundheitsschaden eines Dritten kann durch Verletzung einer anderen Person vermittelt werden (z.B. Infektion in der Schwangerschaft). Dem infolge einer Verletzung seiner Mutter mit einem Gesundheitsschaden zur Welt gekommenen Kind (Nasciturus) stehen eigene Ersatzansprüche zu. Trifft die Schwangere an dieser Situation eine Mitverantwortung, sind die Ansprüche des überlebend geborenen Nasciturus in der gleichen Weise beschränkt wie die Ansprüche seine Mutter. Der Nasciturus ist vor der Geburt keine "dritte Person" i.S.d. der Schadenersatzvorschriften, sondern identisch mit seiner Mutter. Gegenüber einem Arzt oder einer anderen, von außen kommenden, schädigenden Person bilden Mutter und (später geschädigt, aber lebend zur Welt gekommenes) Kind eine Einheit und sind gemeinsam "Dritte" i.S.d. Schadenersatzvorschriften.
Rz. 436
Eine Haftungseinheit (dazu näher Rdn 438 ff.) kommt anspruchsmindernd nur in Betracht, wenn Handlungen zweie...