Rz. 1116
Der originäre Ausgleichsanspruch des einen Gesamtschuldners gegenüber dem anderen (z.B. mithaftender Mediziner) aus § 426 Abs. 1 BGB ist rechtlich selbstständig und vom – von dem Schadenersatzgläubiger (z.B. Direktgeschädigter) – übergegangenen (§ 426 Abs. 2 BGB) Anspruch zu trennen.
Rz. 1117
Der Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB wird i.d.R. von Einreden und Einwendungen gegen den übergegangenen Anspruch nicht berührt. Der ausgleichspflichtige Gesamtschuldner kann dem ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner – anders als bei dem nach § 426 Abs. 2 BGB übergegangenen Anspruch – keine Einreden aus seinem Rechtsverhältnis zum Gläubiger entgegenhalten. Indem das Gesetz in § 426 Abs. 1 BGB einen selbstständigen Ausgleichsanspruch schafft, gewährt es dem ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner eine Rechtsposition, die dieser allein durch die Überleitung des Gläubigeranspruchs nach § 426 Abs. 2 BGB nicht erhielte. Diese Begünstigung würde dem Ausgleichsberechtigten wieder genommen, wenn der Anspruch denselben Beschränkungen unterläge wie der übergeleitete Gläubigeranspruch.
Rz. 1118
Grundsätzlich hat der Ausgleichsschuldner (z.B. gesamtschuldnerisch haftendes Krankenhaus) der Regulierung des Ausgleichsberechtigten (z.B. Kfz-Versicherung eines primär verantwortlichen Autofahrers) zu folgen, ohne dass der Ausgleichsschuldner im Rahmen des § 426 Abs. 1 BGB Einwendungen erheben kann. § 116 VVG verdeutlicht in einem vergleichbaren Kontext (Ausgleichsanspruch des vorleistenden Versicherers gegenüber der [nicht]-versicherten Person), dass nur eine etwaige Überschreitung des Regulierungsermessens schadet. Zum Gesamtschuldnerausgleich nach § 116 Abs. 1 S. 2 VVG wird (nicht nur im Lichte des § 124 Abs. 2 VVG) hervorgehoben, dass bei der Regulierung ein Ermessensspielraum besteht und der in Regress genommene Versicherte nur im Ausnahmefall dem leistenden Gesamtschuldner fehlerhafte Regulierung vorhalten kann. Die Wertung vor allem des § 116 Abs. 1 S. 3 VVG, wonach der leistende Versicherer als Gesamtschuldner Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangen kann, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte, orientiert sich am Auftragsrecht (§§ 683, 670 BGB). Auch wenn man die Ausgleichsansprüche allein an § 426 Abs. 1 BGB und § 426 Abs. 2 BGB ausrichtet, ist es doch sachgerecht, Regulierungsverhalten und daraus entstehenden Aufwendungsersatz an denjenigen Anforderungen zu messen, die das Gesetz an eine Geschäftsführung üblicherweise stellt. Abzustellen ist für die Beurteilung der Angemessenheit und Erforderlichkeit auf den Zeitpunkt der Regulierung.
Rz. 1119
Der nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB ausgleichsverpflichtete Gesamtschuldner kann dem vorleistenden Gesamtschuldner (z.B. regulierende Kfz-Versicherung) nicht Einwendungen (wie angebliche Unangemessenheit oder Falschabrechnung der Aufwendungen von Sozialversicherern) gegen die dem Ausgleichsanspruch zugrunde liegende Forderung entgegenhalten, sondern nur solche Einwände aus dem Grundverhältnis, die bei Zahlung (Erstattung durch z.B. regulierende Kfz-Versicherung) offensichtlich und so gravierend waren, dass das Begleichen der Forderung einen Rechtsmissbrauch darstellt (Einwand aus § 242 BGB). Nur allgemein vom auf Ausgleich in Anspruch genommenen Gesamtschuldner vorgebrachte Umstände im Zusammenhang mit dem Ausgleich von Forderungen des Direktgeschädigten oder Drittleistungsträgern rechtfertigen die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen, treuwidrigen Handelns nicht und sind nicht geeignet, den Grundsatz des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, dass Einwände gegen das Grundverhältnis im Ausgleichsverhältnis nicht geltend gemacht werden können, zu durchbrechen.
Rz. 1120
Vortrags- und beweisbelastet für eine unzutreffende Regulierung ist der auf Ausgleich in Anspruch genommene weitere Gesamtschuldner. Zur Darlegung gehört auch – als Ausfluss der Beweislastumkehr nach z.B. grobem ärztlichem Verhalten –, die Differenzberechnung des Sowieso-Schadens aufzutun. Das OLG Stuttgart bejaht eine aus grobem ärztlichem Fehlverhalten resultierende Umkehr der Beweislast für die Kausalität des Fehlers nicht nur für Patienten und seinen Rechtsnachfolger (wie Sozialversicherer), sondern auch für den nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB Ausgleich begehrenden Gesamtschuldner. Der der Beweislastumkehr zugrunde liegende Ansatzpunkt verändert sich nicht durch die Person des Anspruchsinhabers.
Rz. 1121
Soweit beim übergegangenen Anspruch (§ 426 Abs. 2 BGB) etwas anderes gelten könnte, ist dies auf den eigenständigen und mit anderen Voraussetzungen versehenen Anspruch des § 426 Abs. 1 BGB nicht übertragbar.