(1) Sonderrechtsverhältnis bei Schadenentwicklung
Rz. 448
Bei einem Haftpflichtgeschehen (z.B. Verkehrsunfall) entsteht jedenfalls mit dem Unfall ein Sonderrechtsverhältnis, sodass sich die verletzte Person im Rahmen der der Schadenentwicklung und -abwicklung ein schuldhaftes Fehlverhalten seiner gesetzlichen Vertreter (z.B. Eltern) unmittelbar anspruchsmindernd zurechnen lassen muss (§§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB). Es bedarf keines Gesamtschuldnerinnenausgleiches mit dem weiteren Schadenersatzpflichtigen mehr.
Rz. 449
Soweit der Anspruch des Kindes wegen des elterlichen Fehlverhaltens gekürzt wird, haftet das schadenstiftende Elternteil als Einzelschuldner auf die vom weiteren Schädiger nicht ersetzten Schadenanteile.
(2) Sonderrechtsverhältnis zwischen Unfall und Schadeneintritt
Rz. 450
Ein Sonderrechtsverhältnis (gesetzliches Schuldverhältnis) beginnt mit dem Schadenfall, aus dem grundsätzlich Ansprüche resultieren. Es müssen noch keine Ansprüche offenbar sein. Der Grundsatz der Schadenseinheit (§ 5 Rdn 434 ff.) besagt, dass derjenige Schaden, der aus einem bestimmten Ereignis erwachsen ist, als einheitliches Ganzes aufzufassen ist. Es gibt nur einen Anspruch auf Ersatz dieses Schadens.
Rz. 451
Bereits in der Zeit zwischen Begehung der unerlaubten Handlung und Schadeneintritt kann Fehlverhalten der Eltern anspruchsmindernd wirken (z.B. durch Unterlassen einer gebotenen medizinischen Untersuchung).
(3) § 254 Abs. 2 S. 2 BGB
(a) Obliegenheit
Rz. 452
Den Geschädigten trifft nach Eintritt des schädigenden Ereignisses die Obliegenheit, den Schaden abzuwenden oder zu mindern (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB). Dabei findet § 278 BGB entsprechende Anwendung (§ 254 Abs. 2 S. 2 BGB).
Rz. 453
Bei der weiteren Schadenentwicklung und -abwicklung hat sich das verletzte Kind ein vorwerfbares Fehlverhalten (wie Verjährenlassen, Unterlassen schadenverhütender und schadenmindernder Maßnahmen) seiner gesetzlichen Vertreter nach §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB anspruchsmindernd zurechnen zu lassen, sofern der gesetzliche Vertreter in Ausübung der gesetzlichen Vertretung handelt. Personensorge (siehe § 1626 Abs. 1 S. 2 BGB) umfasst vor allem das Ergreifen ausreichender medizinischer Maßnahmen bei der Verletzungserkennung und Verletzungsbehandlung/-versorgung. Der Geschädigte muss sich der Hilfspersonen zur Erfüllung eines Gebotes des eigenen Interesses bedienen. Für die Zurechnung des Verschuldens eines Dritten im Rahmen des § 254 Abs. 2 S. 2 BGB ist stets erforderlich, dass der Geschädigte einem derartigen Gebot unterliegt.
Rz. 454
Hervorzuheben ist, dass, auch wenn Eltern nach § 1629 Abs. 1 BGB grundsätzlich gemeinsam handeln, das obliegenheitswidrige Verhalten bereits eines Elternteiles den Mitverschuldensanteil gegenüber dem verletzten Kind und damit die Anspruchsminderung begründet.
Rz. 455
Es gilt hinsichtlich des elterlichen Fehlverhaltes nicht der geringere Maßstab des § 1664 BGB, sondern § 276 BGB (Anspruchsminderung auch bei einfacher Fahrlässigkeit).