Rz. 1101
Die Differenzbetrachtung für den Gesamtschuldnerinnenausgleich hat für jede Schadenposition getrennt zu erfolgen.
(1) Schmerzensgeld
Rz. 1102
Das Schmerzensgeld ist zunächst nach dem Gesamtbeschwerdebild (resultierend aus Vorschädigung [z.B. Verkehrsunfall] und Arztfehler) zu bestimmen. Es ist fiktiv ein Schmerzensgeld nach den Vorschädigungen und deren Folgen zu schätzen.
Rz. 1103
Die Differenz zwischen dem konkreten Betrag (Gesamtgesundheitssituation unter Einschließung von Verkehrsunfall und medizinischem Fehlverhalten) und dem Fiktivbetrag ist derjenige Betrag, auf den der Mediziner (dann auch gesamtschuldnerisch mit einem Primärschädiger) haftet. Insoweit besteht Gesamtschuld zwischen Mediziner und Autofahrer; der Innenausgleich der Gesamtschuldner geht zu 100 % zulasten des Mediziners.
(2) Verdienstausfall
Rz. 1104
Im Außenverhältnis verantwortet der Primärschädiger (konkret Autofahrer) zwar auch die Folgen ärztlichen Fehlverhaltens gegenüber dem Unfallverletzten, kann sich dann aber im Innenverhältnis beim Mediziner hinsichtlich der Differenz schadlos halten.
Rz. 1105
Verdienstausfall ist vom Mediziner gesamtschuldnerisch auszugleichen, sobald die Folgen der Primärverletzung aus dem die ärztliche Behandlung erst herbeiführenden Verletzungsgeschehen (primäres Haftungsgeschehen, z.B. Verkehrsunfall) abgeklungen oder gemindert sind. Es können, wenn einerseits die Vorschädigung nur zu einem Teil-Erwerbsausfall führte, andererseits die ärztliche Fehlbehandlung aber zu einer vollständigen Minderung im Erwerb (und auch im Haushalt) führte, dann gesamtschuldnerische Innenausgleichsansprüche in der Differenz des zu ersetzenden Schadens bestehen.
Rz. 1106
Zu Reserveursachen stellt der BGH klar, dass bei Vorerkrankungen – damit auch bei Vorschäden – der Tatrichter, wenn es nicht gelingt, die hypothetische Kausalität nachzuweisen, im Rahmen einer Prognose bei der Ermittlung des Verdienstausfalles berücksichtigen muss, wie sich der weitere Lebensweg des Geschädigten unter Berücksichtigung der Vorerkrankungen gestaltet hätte.
Rz. 1107
Derjenige Gesamtschuldner, der reguliert, hat die Situation auch beweisrechtlich abzuklopfen. Dabei gilt eine ex-ante-Betrachtung. Der Schuldner muss regulieren, so wie sich ihm die Situation im Entschädigungszeitpunkt darstellt. Er hat diejenigen Hilfsmittel zu nutzen, die damals (ex-ante) zur Verfügung standen. Das gilt auch für Regulierungsvorgaben, die durch die Rechtsprechung damals geprägt waren; nicht entscheidend ist eine ex-post-Betrachtung.
(3) Haushaltsführung
Rz. 1108
Es gelten die Ausführungen zum Verdienstausfall – und auch zu den vermehrten Bedürfnissen – entsprechend.
(4) Heil-/Pflegekosten
Rz. 1109
Heil- und Pflegekosten sind nach der Differenzmethode zu bestimmen. Zur Abgrenzung zum mittelbaren Schaden siehe Rdn 47 ff.
Rz. 1110
Mehrkosten entstehen häufig ab dem Moment der ärztlichen Fehlleistung und den damit verbundenen Komplikationen. Komplikationen bestimmen nicht selten die Leistungshöhe der Krankenhauskosten, was in der DRG-Abrechnung dann auch zu berücksichtigen ist. Die Bestimmung der Sowieso-Kosten kann notfalls anhand der unterschiedlichen DRG-Einstufung (mit und ohne ärztliches Versagen) erfolgen; dies reicht jedenfalls für eine Schätzung nach § 287 ZPO.
Rz. 1111
Das OLG Oldenburg hat in einem Fall der medizinischen Fehlbehandlung nach einem Verkehrsunfallgeschehen im Rahmen seiner Einschätzung keine Differenzberechnung zu den Sowieso-Kosten vorgenommen, sondern letztlich den vollständigen Zahlbetrag, den der Kfz-Haftpflichtversicherer an den Verletzten als Abfindungszahlung erbrachte, dem Ausgleichsanspruch des klagenden Kfz-Haftpflichtversicherers (§ 426 Abs. 1 und Abs. 2 BGB) zugrunde gelegt. Der Aufwand zur Höhe wurde komplett dem Krankenhaus (das für einen hypoxischen Hirnschaden allein verantwortlich war) überantwortet.
Rz. 1112
Soweit die primäre Verletzung bereits Heil- und Pflegekosten verursachte, besteht kein Ausgleichsanspruch (Sowieso-Kosten). Zu erstatten sind die durch die ärztliche Fehlbehandlung entstehenden Mehrkosten.
(5) Rechtsanwaltskosten, Gerichtskosten
Rz. 1113
Rechtsanwaltskosten und Gerichtskosten aus einem Prozess mit unmittelbar Geschädigtem (oder dessen Ersatzempfängern wie Rentenversicherung oder Krankenkasse) sind nicht zu ersetzen. Die einem Gesamtschuldner in einem Rechtsstreit entstandenen Kosten sind grundsätzlich von diesem selbst zu tragen, weil er den Gläubiger nicht streitlos befriedigt hat. Anderes gilt, wenn der Prozess mit dem anderen Gesamtschuldner abgestimmt wurde; dann ergibt sich ein Kostenersatzanspruch aufgrund dieser Absprache zur federführenden Reguli...