§ 2 Vergleich und Abfindung / h) Gutachtenerstellung

aa) Essentielle Informationen

(1) Gutachteneinholung (Arzt) – Anlagen

Rz. 303

Wird ein Gutachtenauftrag erteilt, sollen dem Gutachtenauftrag beigefügt sein:

▪	regelmäßig alle vorhandenen ärztlichen Stellungnahmen;
▪	Ermittlungsakte und Erkenntnisse zum Unfallhergang, verbunden mit einer kurzen Schilderung des Unfallgeschehens;
▪	Fotos der beteiligten Fahrzeuge (Fahrzeug des Anspruchstellers, Fahrzeug des Versicherungsnehmers);
▪	technische Erkenntnisse zu beteiligten Unfall-Fahrzeugen (wie Zellen-Steifigkeit der Fahrzeuge, spezielle unfallverhütende Kopfstützen und Techniken);
▪	bekannte Angaben zur Person des Anspruchstellers (wie Geburtsdatum, beruflicher Vorlauf, Sitzplatz im Unfallfahrzeug, Beziehung zum Schädiger)

(2) Gutachteneinholung (Arzt) – Untersuchung und Fragestellung

Rz. 304

Der Gutachter sollte gebeten werden, den Probanden zu befragen, soweit Informationen noch fehlen und/oder Fragen bisher unbeantwortet erscheinen.

Rz. 305

Fallabhängig sind u.a. folgende Aspekte zu beleuchten:

▪

Der Gutachter sollte bildgebende Vorbefunde einholen und einen Therapievergleich "vorher nachher" anstellen.

▪

Welche klinischen, apparativen, labortechnischen oder sonstigen Untersuchungen sind wann, wo und durch wen erhoben worden?

▪	Mit welchen Ergebnissen?
▪	Was verbirgt sich hinter den Testverfahren? Wie ist die Testung inhaltlich aufgebaut? Validierung?

▪

Lässt sich die pharmakologische Compliance des Probanden objektivieren / evaluieren?

▪

Vergleichende Betrachtung der unfallkausal nicht beeinträchtigten Gelenke und Extremitäten.

(3) Fragestellung

Rz. 306

Bei den Verletzungsfolgen richtet sich die Fragestellung

▪	nicht nur an der unfallkausalen Beeinträchtigung und den daraus resultierenden Folgen aus.

Rz. 307

Ferner ist zu fragen,

▪	welches Restleistungsvermögen vorhanden ist;
▪	wie (u.U. mithilfe technischer oder medizinischer Hilfen und Eingriffe) eine Verbesserung des Restleistungsvermögens erreicht werden kann;
▪	ob Vorerkrankungen Einfluss auf den gesundheitlichen Status haben und ob sie zu irgendeinem Zeitpunkt zu vergleichbaren Folgen geführt hätten.

bb) Nachfrage

Rz. 308

Liegen Arztberichte, Gutachten pp. vor, muss sich der Sachbearbeiter Klarheit verschaffen:

▪	Was verbirgt sich hinter vom Gutachten verwendeten Testmethoden? Werden objektive / objektivierbare Aspekte herangezogen? Oder sind es letztlich nur Angaben des Verletzten – nur anders aufbereitet?
▪	Was verbirgt sich hinter (vor allem medizinischen) Abkürzungen?[373]

Rz. 309

Mögliche Informationsquellen zu Sachverhalt und Prognose bieten u.a.:^[374]

▪

Internetrecherchen, z.B.

▪	Zeitschriftenarchive, Wirtschaftsnachrichtenportale;
▪	Arbeitsverwaltung (www.arbeitsagentur.de),
▪	Krankenversicherung (https://www.jusmedica.de/ [Urteile zur gesetzlichen und privaten Krankenversicherung]),
▪	Gesetzliche Kranken-/Pflegeversicherung (www.gkv-spitzenverband.de; www.vdek.com),
▪	Gesetzliche Rentenversicherung (www.deutsche-rentenversicherung.de, www.deutsche-rentenversicherung-bund.de),
▪	Minijob-Zentrale (www.minijob-zentrale.de);
▪	Gesetzliche Unfallversicherung (www.dguv.de);
▪	Statistisches deutsches Bundesamt (www.destatis.de; https://www-genesis.destatis.de/genesis/online; https://www.dashboard-deutschland.de/gesundheit/gesundheit) (u.a. auch Veröffentlichungen von Verdienststrukturerhebungen),
▪	Statistische Ämter der Bundesländer mit eigenen Internetauftritt der jeweiligen Länder;
▪	Monatsberichte der deutschen Bundesbank, Statistischer Teil (https://www.bundesbank.de/de/publikationen/berichte/monatsberichte);
▪	Tarifarchiv der Hans-Böckler-Stiftung[375] (https://www.wsi.de/de/tarifarchiv-15262.htm, früher www.boeckler.de/wsi-tarifarchiv_2179.htm).

▪

Öffentliche Register (z.B. Handelsregister, Gewerberegister).

▪

Das Internet-Archiv (https://archive.org/index.php) ist ein gemeinnütziges Projekt, das seit 2007 den offiziellen Status einer Bibliothek hat. Das Archiv umfasst neben einem reinen Webarchiv (Wayback Machine zum Betrachten archivierter Websites) Sammlungen von Texten und Büchern, Audiodateien, Videos, Bildern und Software (siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Internet_Archive#Webarchiv).

Rz. 310

Weiterführende Informationen zu arbeitsmarktpolitischen Aspekten, u.a. zum Lebensarbeitszeitende, können geben:^[376]

▪	Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer, Arbeitgeberverband, Gewerkschaft,
▪	Unternehmen des Verletzten (Arbeitgeber, Betriebsrat, aber auch die Geschäftsberichte und Internetinformationen für die Belegschaft).

[373] Jahnke/Burmann-Schelter, Handbuch Personenschadensrecht, 2. Aufl. 2022, Kap. 4 Rn 1 ff.

[374] Siehe auch Jahnke/Burmann, Handbuch Personenschadensrecht, 2. Aufl. 2022, Kap. 11 Rn 48 ff.

[375] Das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans-Böckler-Stiftung hat als zentrale Dokumentationsstelle der DGB-Gewerkschaften die Aufgabe, das laufende Tarifgeschehen zu dokumentieren und auszuwerten.

[376] Stäblein, Berufsunfähigkeitsrente bis 67, VW 2008, 1259.