Rz. 823
Bei fremdverschuldeten Unfällen mit Todesfolge ist streng zu unterscheiden zwischen
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einerseits den Schadenersatzansprüchen des – verstorbenen – Unfallverletzten, die dieser selbst noch zu Lebzeiten erworben hat und die dann im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) auf die Erben übergegangen sind, und |
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andererseits den eigenen, originär erworbenen Ansprüchen unterhalts- und dienstberechtigter Dritter nach §§ 844, 845 BGB (bzw. den haftungsrechtlichen Sonderbestimmungen, z.B. § 10 StVG). |
aa) Todeszeitpunkt
Rz. 824
Erbfolge kann auch zwischen Personen eintreten, die beim selben Unfallereignis ums Leben kommen. § 1923 BGB macht die Erbfähigkeit allein davon abhängig, dass der Erbe den Erblasser – wenn auch nur um den Bruchteil einer Sekunde – überlebt. Dem Tod geht stets die Körperverletzung voraus, auch wenn die Zeitspanne zwischen Verletzung und Tod denkbar gering ist.
Rz. 825
Im Erbrecht ist (wie im Transplantationsrecht, §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 5 S. 2 TPG) als Todeszeitpunkt bereits der Eintritt des Gesamthirntodes (und nicht der i.d.R. erst spätere Herz- und Kreislaufstillstand) anzunehmen. Der Hirntod tritt ein beim vollständigen und irreversiblen Zusammenbruch der Gesamtfunktion des Gehirns, auch wenn dann Kreislauf und Atmung noch aufrechterhalten bleiben.
Rz. 826
§ 11 VerschG
Kann nicht bewiesen werden, daß von mehreren gestorbenen oder für tot erklärten Menschen der eine den anderen überlebt hat, so wird vermutet, daß sie gleichzeitig gestorben sind.
Rz. 827
Das Nachlassgericht muss im Rahmen des Möglichen aufklären, ob ein Beteiligter den anderen, sei es auch nur den Bruchteil einer Sekunde, überlebt hat. Kann die Reihenfolge zweier Todesfälle nicht geklärt werden, gilt die Vermutung des § 11 VerschG, wonach beide gleichzeitig gestorben sind.
Rz. 828
Es kommt auf den tatsächlichen Todeseintritt an und nicht auf den bescheinigten. Skepsis ist gegenüber den in der Ermittlungsakte festgehalten Daten angebracht. Gerade bei Verkehrsunfällen kommt dem von Notarzt und Polizei in der Ermittlungsakte, Sterbefallanzeige oder amtlichen Todesbescheinigung notierten Zeitpunkt des Todeseintritts noch nicht einmal indizielle Bedeutung zu: I.d.R. wird der Todeseintritt nämlich in der zeitlichen Reihenfolge der Untersuchung der verstorbenen Unfallbeteiligten vor Ort festgehalten und gibt daher den tatsächlichen Zeitpunkt nicht zwingend korrekt wieder.
Rz. 829
Bleibt die Erbfolge für den Schadenersatzpflichtigen unklar, kann er den geschuldeten Betrag hinterlegen (§§ 372 ff. BGB).
bb) Erbfolge
Rz. 830
Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tod einer Person (Erbfall) deren gesamten Vermögen (Erbschaft) als Ganzes (Gesamtrechtsnachfolge) auf eine oder mehrere Personen (Erben) über.
Rz. 831
Zu beachten ist, dass Erben einerseits und Unterhaltsberechtigte andererseits nicht zwingend personenidentisch sein müssen. Desweiteren sind die aus dem Unfall ererbten Ansprüche und die aus eigenem Recht erworbenen Ansprüche der unterhaltsberechtigten Personen inhaltlich völlig verschieden. Die Ansprüche wegen Verletzung bzw. Tötung eines Dritten stehen den in §§ 844, 845 BGB (bzw. den entsprechenden Regelungen in den Spezialgesetzen) aus eigenem Recht zu und gehören nicht zum Nachlass des Getöteten.
Rz. 832
Die Erbenstellung kann
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gewillkürt (Testament, § 1937 BGB), |
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vertraglich (Erbvertrag, § 1941 BGB) oder durch den Erblasser |
oder
zustande kommen. Der Erbe kann unter den Voraussetzungen der §§ 1942 ff. BGB das Erbe binnen einer Frist von sechs Wochen seit Kenntnis vom Erbfall ausschlagen.
Rz. 833
Das Pflichtteilrecht beeinflusst die alleinige Rechtsnachfolge des Erben nicht, sondern gibt nur Ausgleichsansprüche.
cc) Erbengemeinschaft
Rz. 834
Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben (§ 2032 BGB). Bei Erklärungen, die die Erbengemeinschaft betreffen (z.B. Beerdigungskosten, vererbte Ansprüche des unfallkausal verstorbenen Erblassers), müssen alle Erben (bzw. deren Rechtsnachfolger, siehe § 2033 BGB) unabhängig von ihrem Erbanteil zustimmen (§ 2038 BGB). Die Erbengemeinschaft ist weder rechts- noch parteifähig.