Mathias Melzig, Gregor Samimi
Rz. 23
Muster 2.2: Akteneinsichtsgesuch im OWi-Verfahren
Muster 2.2: Akteneinsichtsgesuch im OWi-Verfahren
_________________________ Verwaltungsbehörde/Bußgeldbehörde1
_________________________ (Anschrift)
Per Telefax: _________________________
Mandant2: _________________________
Aktenzeichen: _________________________
_________________________ (Anrede),
in der vorbezeichneten Bußgeldangelegenheit zeige ich kraft anwaltlich versicherter Vollmacht3 die Vertretung des Mandanten an. Namens und in Vollmacht des Mandanten beantrage ich
AKTENEINSICHT
in den Bußgeldvorgang durch Übersendung4 der amtlichen Ermittlungsakten an mein Büro. Die diesbezüglich anfallenden Gebühren5 werden nach Rechnungslegung ausgeglichen. Vorerst macht der Mandant von seinem Schweigerecht Gebrauch.6 Eine Einlassung zur Sache bleibt nach Akteneinsicht vorbehalten.7
Gegebenenfalls:
Insbesondere wird die Beiziehung und Einsichtnahme in folgende Unterlagen beantragt:8
▪ |
Originalfotoprints der Messung |
▪ |
innerstaatliche Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) |
▪ |
Eichschein des Messgeräts9 |
▪ |
Test-/Kalibrierungsfotos des Messgeräts |
▪ |
Ausbildungsnachweis des Mess-/Bedienungspersonals am Messgerät |
▪ |
Wartungsprotokolle bzw. Lebensakte/Gerätestammkarte des Messgeräts |
▪ |
Bedienungsanleitung/Gebrauchsanweisung des Messgeräts10 |
▪ |
Verkehrsbeschilderungsplan bzw. verkehrsrechtliche Anordnung |
▪ |
Kopie der Video-/Messaufnahme auf beigefügter DVD-ROM |
Mit freundlichen Grüßen
(Rechtsanwalt)
Rz. 24
Erläuterungen der Fußnoten in Muster 2.2
Fußnote 1
Zuständig für die Akteneinsicht ist die Verwaltungsbehörde, die das Verfahren durchführt. Die Kontaktdaten können dem Anhörungsbogen oder Bußgeldbescheid entnommen werden.
Rz. 25
Fußnote 2
Das obige Muster kann auch bei einem Akteneinsichtsgesuch im Rahmen von Kennzeichenanzeigen bzw. Fahrerermittlungs- und Zeugenfragebögen eingesetzt werden. Hierbei gilt es selbstredend darauf zu achten, dass immer nur der behördlicherseits angeschriebene Fahrzeughalter und nicht der tatsächliche Fahrzeugführer (soweit personenverschieden) aufgeführt wird, um den Mandanten nicht einem Verdacht der Bußgeldbehörde auszusetzen.
Rz. 26
Fußnote 3
Eine schriftliche Vollmacht braucht der Verteidiger im Allgemeinen nicht nachzuweisen. Ein solches Erfordernis ist §§ 46 OWiG, 147 StPO nicht zu entnehmen. Es genügt insoweit die Anzeige der Bevollmächtigung (LG Cottbus Beschl. v. 28.3.2002 – 26 Qs 63/02, StraFo 2002, 233; LG Chemnitz Beschl. v. 5.2.2009 - 2 Qs 117/08, StraFo 2009, 207). Die Nichtvorlage einer schriftlichen Vollmacht steht der Gewährung von Akteneinsicht somit nicht entgegen (Thüringer OLG Beschl. v. 28.10.2004 – 1 Ss 65/04, VRS 108, 276).
Rz. 27
Praxistipp
Die Vollmacht sollte in aller Regel nicht bereits bei Akteneinsicht zur Akte gereicht werden. Damit wird vermieden, dass der Bußgeldbescheid durch die Behörde dem Verteidiger mit verjährungsunterbrechender Wirkung zugestellt werden kann (siehe § 51 Abs. 3 OWiG). Denn der Erlass eines Bußgeldbescheides allein führt noch nicht zu einer Unterbrechung der Verfolgungsverjährung. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Bußgeldbescheid dem Betroffenen – gegebenenfalls über seinen Verteidiger – auch wirksam zugestellt wird. Die Zustellung des Bußgeldbescheids an den Betroffenen selbst kann für die Verwaltungsbehörde aber durchaus mit Unwägbarkeiten verbunden sein, wie der vom Amtsgericht Herford mit Beschl. v. 22.1.2019 entschiedene Fall anschaulich darstellt. Die Entscheidung ist im Folgenden, nach Rdn 37, im Volltext abgedruckt.
Rz. 28
Fußnote 4
Antrag gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 147 Abs. 4 StPO.
Rz. 29
Fußnote 5
Die Akteneinsicht selbst ist grundsätzlich kostenfrei. Für die Übersendung der Akten an den Anwalt wird eine Pauschale i.H.v. 12 EUR erhoben (§ 107 Abs. 5 OWiG, § 28 Abs. 2 GKG, Nr. 9003 KV GKG).
Rz. 30
Wird die Aktenübersendung vom Anwalt beantragt, so ist auch nur er Kostenschuldner gegenüber der aktenführenden Behörde. Stellt er die verauslagte Aktenversendungspauschale dem Mandanten in Rechnung, so soll dies nach § 10 Abs. 1 UStG der Umsatzsteuer unterliegen (so BGH Urt. v. 6.4.2011 – IV ZR 232/08, zfs 2011, 402). Dies führt zu einer Zahllast für den Mandanten in Höhe von 14,28 EUR. Die auf die Aktenversendungspauschale entfallende Umsatzsteuer gehört dann zur gesetzlichen Vergütung des Rechtsanwalts und ist deshalb von einem eintrittspflichtigen Rechtsschutzversicherer zu erstatten (BGH Urt. v. 6.4.2011 – IV ZR 232/08, zfs 2011, 402).
Rz. 31
Fußnote 6
Faustregel: Ohne Akteneinsicht keine Einlassung zur Sache!
Rz. 32
Fußnote 7
Die Ausübung des Schweigerechts in Form des "gezielten Schweigens" ist geeignet, die endgültige Verfahrenseinstellung zu fördern. Stellt die Bußgeldbehörde das Verfahren auf dieses Verteidigungsschreiben ein, kann der Anwalt auch die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 5115 VV RVG in Ansatz bringen (AG Charlottenburg Urt. v. 11.4.2007 – 215 C 8/07, StraFo 2007, 307).
Achtung
Nach zweifelhafter Ansicht des Amtsgerichts Schöneberg soll der hier gewählt...